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Die Richtstätte Sentimatt in Luzern

Als Hörige des Hofklosters wurden wir zunächst am Marienbrunnen bei der Hofkirche gerichtet.

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts erlaubten uns die Habsburger, selbst Gericht zu halten – dies geschah dann am unteren Fischmarkt, bei der Gerichtslinde.

Später wurde das erste Rathaus Luzerns (Vorgänger des heutigen Hotel Des Balances) Gerichtsort – die Vollstreckungen fanden an der Richtstätte Sentimatt statt.


Lage der Sentimatt-Richtstätte

Zwischen der Dammstrasse und Sentimatt 1, direkt an der Reuss, ausserhalb der ehemaligen Stadtmauern. Heute befindet sich dort ein Parkplatz, links die Pädagogische Hochschule, rechts eine Betonmauer, dahinter der Sonnenbergtunnel.


Schumacherplan auf Google maps
Genauer Standort der Richtstätte Sentimatt, Schumacherplan auf Google Maps,
Altrosa=Richtstätte, Rot=Kallenberg



Die Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacher-Plan

Auf dem Schumacherplan von 1790 erkennt man die Richtstätte deutlich:

  • Eingezäuntes Grundstück ausserhalb der Stadtmauern

  • Haupthaus mit drei Stockwerken, Nebengebäude

  • Garten mit Bäumen (vermutlich Apfelbäume)

  • Ein abgesperrter Bereich mit einem Loch – wohl zur Beseitigung der Leichen

  • Kreisförmige Erhebung in der Mitte des Anwesens: der Kallenberg, Ort der Enthauptungen

Wer alles im Haupthaus lebte, bleibt ungewiss – vermutlich die Familie des Nachrichters, seine Knechte und Mägde sowie der Wasenmeister mit Angehörigen. Trotzdem erscheint das Gebäude bemerkenswert gross. (Weitere Informationen zum Schumacherplan: Hier)

Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacherplan
Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacherplan


Darstellung bei Diebold Schilling

In der Diebold Schilling Chronik ist die Richtstätte Sentimatt ebenfalls zu sehen – mit der Reuss und im rechten Hintergrund hinter den Rauchschwaden die Museggmauern.
(Weitere Informationen zu diesem Bild: Hier)

Diebold Schilling Chronik 1513, Folio 174 v
Diebold Schilling Chronik 1513, Folio 174 v - Wikimedia



Zweite Richtstätte ab Mitte des 16. Jahrhunderts

Etwa ab 1562 wurde in Luzern eine weitere Richtstätte bei der damaligen Emmen-Brücke eingerichtet – dort, wo Reuss und Emme zusammenfliessen, auf der linken Flussseite.
Die Sentimatt wurde fortan ausschliesslich für Enthauptungen genutzt.




Die Hinrichtungsarten im alten Luzern

In der Stadt und Republik Luzern sind folgende Hinrichtungsarten belegt:

  • Enthaupten
  • Hängen (Männer, weniger Frauen, keine Kinder)
  • Erwürgen (Männer, Frauen und Kinder)
  • Ertränken (Fast nur Frauen und Kinder)
  • Rädern (Nur Männer)
  • Verbrennen (ca 95% Frauen, fast keine Männer)
Darüber hinaus werden in verschiedenen Quellen auch das Ausdärmen und Vierteilen und das Lebendig begraben erwähnt. 

Urs Graf, 1512, Bevorstehende Enthauptung auf dem Hochgericht

Mit dem Franzoseneinfall und der Abdankung des Ancien Régime 1798 haben wir dann für ein paar Jahre mit der Guillotine gerichtet. Nach Abzug der Franzosen kehrten wir dann aber allmählich wieder zur Schwertenthauptung zurück, bevor sich dann die Guillotine endgültig durchsetzte. 1942 wurde die Todesstrafe im zivilen Bereich abgeschafft. 

Die letzte Schweizer Guillotine steht im Historischen Museum in Luzern. Sie wurde 1940 das letzte Mal benutzt.


Die Enthauptung

Die Schwertenthauptung war im alten Luzern die häufigste Hinrichtungsmethode. Es gibt kein Delikt, dass im alten Luzern nicht auch schon mal mit dem Schwert gesühnt wurde, nicht selten im Sinne einer Strafmilderung. 

So wurden Verurteilte auch aus Gnade, wegen ihrer Jugend, ihres Alters, ihrer Krankheit, ihrer Verdienste oder ihrer adeligen Herkunft wegen zum Tod durch das Schwert begnadigt.

Die Schwertenthauptung gilt als die edelste Form der Hinrichtung. 

Gemäss Malefizordnung von 1600 war das Enthaupten für verschiedene Delikte vorgesehen, wie etwa:

  • Diebstahl (wenn er "nit gar schwär" war)
  • Morddrohungen, Androhung von Brandstiftung oder Körperverletzungen
  • Totschlag
  • Vergiftungen 
  • Notzucht
  • Inzest
  • Unglaube und Ketzerei 
  • Gotteslästerung
  • Lästerung der geistlichen und der weltlichen Obrigkeit
  • Rebellion und andere Formen des Widerstandes gegen die weltliche Obrigkeit.


Ausschnitt Martiniplan, die Enthauptung des hl. Mauritius
Ausschnitt Martiniplan 1597, Enthauptung des hl. Mauritius


Das Hängen (auch Aufknüpfen)

Hängen war eine Hinrichtungsform, die vorwiegend an Männern für schweren Diebstahl vollzogen wurde. 

Dabei gilt es zwei Todesarten zu unterschieden: dem Tod durch Genickbruch und dem Tod durch Ersticken.

In Ländern, in denen das Hängen heute noch praktiziert wird, erfolgt der Tod in der Regel durch Genickbruch. Die Verurteilten fallen durch eine Falltür vom Schafott, wodurch das Genick bricht und ein schneller (und vergleichsweise "gnädiger") Tod eintritt.

Im Mittelalter hingegen verlief die Hinrichtung grausamer. Die Verurteilten wurden auf eine Leiter geführt, am Galgen festgebunden, und die Leiter wurde anschließend entfernt. Der Tod trat langsam durch Ersticken ein.

Zur Abschreckung liess man die Gehängten am Strick verrotten, bis sie verfaulten und von selbst abfielen. 

Das Aufknüpfen galt als besonders gefürchtete und schändliche Strafe.


Das Erwürgen

Beim Erwürgen am Richtplatz wurde die oder der Verurteilte an einen Pfahl gebunden. Der Nachrichter stand hinter dem Pfahl und hat die Person mit einem Strick stranguliert. 


Das Ertränken

Männer wurden selten ertränkt. Diese Hinrichtungsmethode war Frauen, Kindern und Jugendlichen vorbehalten und zwar für Delikte wie:

  • Diebstahl
  • Totschlag
  • Vergiftungen
  • Kindstötung und Abtreibung ( «kindsverderberj »)
  • Inzest
  • Kupplerei
  • Unglaube, Ketzerei
  • Gotteslästerung
  • Lästerung der geistlichen und weltlichen Obrigkeit

In der Regel wurde die verurteilte Person in Kauerstellung gefesselt und ins Wasser geworfen. Um ganz sicher zu gehen, konnte man  auch einen Stock zwischen Beine und Arme schieben, wie man es auf dem Bild unten sieht. So gefesselt musste die verurteilte Person unweigerlich ertrinken. Siehe auch: Ab 1609 wurden Frauen nicht mehr ertränkt, sondern enthauptet (Link).


Luzerner Schilling Folio 142v (288), Hochstapler Claus Ring aus Willisau
wird auf Begehren Luzerns 1486 in Konstanz im Rhein ertränkt. 



Das Rädern (auch Radbrechen)

Das Rädern war eine grausame Form der Hinrichtung, die ausschließlich an Männern vollzogen wurde, meist als Strafe für Mord.

Der Scharfrichter zerschmetterte mit einem eisenbeschlagenen Rad zunächst die Gliedmaßen des Verurteilten – Arme und Beine wurden nacheinander gebrochen. Anschließend wurde der Körper auf das Rad geflochten, das schließlich auf einem hohen Pfahl befestigt wurde. Dort blieb das Opfer dem Tod überlassen, während Raben sich über den wehrlosen Leib hermachten.

Renward Cysat berichtet von einem bewegenden Vorfall in Luzern: Eine Frau soll ihren zum Rädern verurteilten Ehemann noch vierzehn Tage lang mit Hilfe einer Leiter versorgt haben, bevor er schließlich verstarb. 


Luzerner Schilling Folio 174v
Luzerner Schilling, Folio 174v (352) (1495).
siehe auch Schilling vereitelt einen Justizirrtum und rettet Jakob Kesslers Leben.


Das Verbrennen

Hexen, Ketzer, Zauberer, Brandstifter Homosexuelle und Sodomiten wurden verbrannt. Ca. 95% davon waren Frauen, die als Hexen ermordet wurden, viele davon bei lebendigem Leibe verbrannt. Die anderen wurden zuerst erwürgt, erhängt oder enthauptet. Zur Strafmilderung wurde einigen lebendig verbrannten Frauen ein Pulversäcklein um den Hals gebunden. 


Das Ausdärmen und Vierteilen

Diese Strafe galt als eine der grausamsten Hinrichtungsarten und war Verrätern vorbehalten. Der Verurteilte wurde auf einen speziellen Tisch gebunden und zunächst kastriert. Anschließend öffnete man seinen Bauch und entnahm ihm die Eingeweide, wodurch er qualvoll verstarb. Danach wurde er enthauptet und gevierteilt. Sein Kopf wurde aufgespießt, während die Gliedmaßen zur Abschreckung an den Stadttoren befestigt wurden.


Luzerner Schilling 210r
Luzerner Schilling, 1513, Folio 210r (425). Ein Knecht, der die Stadt an die Franzosen
verraten wollte, wird grausam gevierteilt (1500)


Das Lebendig begraben

Renward Cysat weist darauf hin, dass «vor Zeiten» am heutigen Kreuzstutz, Kindsverderberinnen lebendig begraben wurden. Auch Folio 285r aus der Diebold Schilling lässt solches vermuten.
Siehe: die Kapelle der Kindsverderberinnen.


Strafverschärfung

Genau so wie die Strafmilderung, gab es auch die Strafverschärfung. Oftmals war diese an Grausamkeit nicht zu übertreffen. So wurden Verurteilte mit glühenden Zangen gezwickt, am Körper, unter den Achselhöhlen und Frauen in die Brust. Letzteren wurde auch schon die Zunge rausgerissen. Dieben wurde vor der Tötung die rechte Hand abgehackt.


Mehrfachstrafen

Im Vergleich zur Strafverschärfung wirken posthum vollzogene Mehrfachstrafen geradezu absurd. So wurde etwa einem Geräderten zusätzlich ein Galgen aufs Rad gesetzt, um ihn auch noch zu erhängen (Siehe Bild).


Luzerner Schilling Folio 280r. (567). Mehrfachstrafen: Urs Nagel (oben rechts)
wird in Luzern wegen Mord gerädert und wegen Diebstahls gehängt.
Danach wird er dann noch wegen Sodomie verbrannt werden (1508).

Quellen:

  • Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), Michael Harrer, Manuela Ros, Jürg Manser (Hrsg.), 1992.
  • Die Schweizer Bilderchronik des Luzerner Diebold Schilling (Luzerner Schilling)1513 und Kommentarband, 1981, Alfred A. Schmid (Hrsg.)
  • Geschichte der Luzerner Rechtssprechung, Justiz- und Sicherheitsdept. Kt. Luzern. Link





Der Tretkran im alten Luzern

Auf Folio 3r der Luzerner Chronik von Diebold Schilling sieht man einen Tretkran. Das Bild zeigt  den Bau der ersten Klosterkirche im Hof im 8. Jahrhundert.

Luzerner_Schilling_Folio_3r_Bau_der_ersten_Klosterkirche_im_Hof_im_8_Jahrhundert
Luzerner Schilling Folio 3r - e-codices

Ganz oben auf dem Bild ist ein Engel mit einer Laterne abgebildet und spendet Licht. Ein Hinweis auf den fälschlicherweise von "Lucerna" (Leuchte) abgeleiteten Namen von Luzern. Der Geistliche ganz links in der unteren Bildhälfte ist Abt Wichard, der den Bau leitet. Ganz unten links sind zwei Arbeiter am Mörtel zubereiten. Daneben schleppt ein Mönch mit hochgezogener Kutte Steine herbei. Ganz unten rechts verrichtet ein Steinmetz in einer offenen Bauhütte seine Arbeit. In der Bildmitte wird die neue Klosterkirche um die ehemalige Nikolaus-Kapelle herum gebaut.

Folio_3r_Ausschnitt_mit_Tretkran
Folio 3r, Ausschnitt
In der Bildmitte sieht man einen Tretkran. Was aussieht wie ein Galgen ist das Krangestell. Das Rad darunter ist die Tretmühle, die von Menschenkraft angetrieben wird (Ähnlich wie das Laufrad beim Hamsterkäfig). Das Kranseil führt von der Tretmühle über das Krangestell zu einem Eckpfeiler. Am Kranseil ist eine Steinschere (auch Wolf oder Wolfszange genannt) befestigt. Die Steinschere umgreift einen Quader wie eine Zange. Ein Arbeiter, gekleidet in den Hosen eines Stadtknechtes, ist damit beschäftigt den Quader richtig zu setzen.


Luzerner_Schilling_Folio_216r
Luzerner Schilling Folio 216r
Steinschere
Steinschere
Durch das Hochziehen des Kranseils presst die Steinschere den Quader zusammen, so dass dieser gehoben werden kann (siehe Bild links).

Damit die Quader nicht abrutschen können, werden auf beiden Seiten kleine Löcher hinein gehauen (Siehe Bild rechts). So können durch das Ausnützen des eigenen Gewichts, schwerste Quader gehoben werden.


In Luzern ist uns eine Tretmühle erhalten geblieben. Sie befindet sich im Estrich der Hofkirche. Sie wird heute noch benutzt, um während des Gottesdienstes an Christi Himmelfahrt unseren Heiland hochzuziehen. Die Tretmühle kann an einer öffentlichen Führung der Hofkirche besichtigt werden.

Tretmuehle_im_Estrich_der_Hofkirche_Luzern
Tretmühle im Estrich der Hofkirche Luzern







Diebold Schilling vereitelt einen Justizirrtum

Diebold Schilling zeigt uns auf Folio 174v seiner Chronik eine Begebenheit die sich am 29. April 1495 auf der Richtstätte Sentimatt zugetragen hat.

Diebold_Schilling_Chronik_Folio_174v
Diebold Schilling Chronik Folio 174v - Wikimedia

In der Bildmitte in rot gekleidet steht der Ratsrichter und hält das Richtschwert in der Hand. Er ist die wichtigste Person auf dem Bild und symbolisiert die obrigkeitliche Gerichtsbarkeit. Er macht eine Handbewegung zum Nachrichter (Henker) und befiehlt ihm inne zu halten.

Der Nachrichter guckt verduzt und setzt gehorchend das eisenbeschlagene Wagenrad wieder ab. Er wollte gerade mit dem Rädern beginnen und als erstes den rechten Unterschenkel des am Boden liegenden Verurteilten zertrümmern.

Was ist passiert?
Diebold Schilling ist herbeigeeilt. Er zeigt auf den Verurteilten und berichtet, dass dieser unschuldig sei. Diebold Schilling ist im Priestergewand gekleidet, denn er war ja auch Leutpriester in der Peterskapelle. Diebold Schilling ist auf dem Bild als untergeordnete Person dargestellt, die unterwürfig um Gnade für einen unschuldig Verurteilten bittet.

Der Verurteilte heisst Jakob Kessler und ist ein Landstreicher. Er kommt aus dem Breisgau und er soll in Lenzkirch bei Titisee im Schwarzwald einen Mord begangen haben. Das jedenfalls wird ihm angelastet und das hat er auch unter schwerer Folter gestanden. Dem Beichtvater aber hat er glaubhaft berichtet, dass das gar nicht stimmt und zwei Stadtknechte haben das auch gehört. Diese wandten sich an Diebold Schilling und dieser setzte sich mutig für die Gerechtigkeit ein.

Es wurden sofort Boten nach Lenzkirch ausgeschickt, um weitere Informationen zu erhalten. Doch in Lenzkirch wusste niemand von einem Mord zu berichten.
So wurde Jakob Kessler freigelassen und er ging dann nach Santiago de Compostela. Entweder aus Dank für seine Rettung oder es wurde ihm aufgetragen. Denn es war üblich, freigelassene Gefangene auf eine Strafwallfahrt zu schicken.

Ganz rechts im Bild wird ein Mann verbrannt, ebenfalls ein Auswärtiger. Er heisst Martin Senn, kommt aus Savoyen und soll eine Jungfrau erschlagen und mit einer Kuh Sodomie begangen haben.
Oben links im Bild ist ein dreieckiger Galgenbau zu sehen mit zwei Gehängten, die vielleicht schon vor Wochen aufgeknüpft wurden.
Zur Abschreckung liess man die Gehängten nämlich am Galgen baumeln, bis die Körper verfaulten und von selbst abfielen. Oben im Bild in der Mitte sieht man die Reuss und rechts davon hinter dem Rauch Teile der Museggmauer.

Auch wenn sich Diebold Schilling auf diesem Bild unterwürfig und bescheiden darstellt, so ist er doch der grosse Held. Wie konnte er es wagen während einer öffentlichen Hinrichtung vor einer grossen Menge von Schaulustigen ein Gerichtsurteil der Obrigkeit anzuzweifeln, die sich selbst als von Gott eingesetzt und als unfehlbar erachtete?
Was für ein Risiko ist er dabei eingegangen?
Das lässt sich nur schwer erahnen, lässt aber vermuten, dass er mutig war und über genügend Ansehen verfügte, dass er sich das erlauben konnte. Anderen wäre für ein solches Gebaren “Reden gegen die Obrigkeit” zur Last gelegt worden und man hätte ihnen die rechte Hand abgehackt und sie an einem Pfahl erwürgt.

Diebold Schilling hat uns über die ungerechte Gerichtsbarkeit seiner Zeit aufgeklärt. Heute wissen wir, dass mit ungleichen Ellen gemessen wurde. Unter allen Hingerichteten dieser Zeit kamen 40% aus der Luzerner Landschaft (Untertanengebiet), 46,5% waren sonstige Auswärtige und nur gerade 2% waren Stadtluzerner.




Guta von Rothenburg

Gräfin Guta (Gutta, Guda) von Rothenburg war eine ganz starke Frau die im 13. Jahrhundert gelebt hat. Luzern war damals in habsburgerischer Hand und wurde von den Grafen von Rothenburg verwaltet.

Guta von Rothenburg hat sich dafür stark gemacht, den damals blutjungen Orden des heiligen Franz von Assisi nach Luzern zu holen. Die Franziskaner waren beliebt, denn sie kümmerten sich auch um Arme, Kranke und hilfsbedürftige Pilger. Ausserdem erstreckte sich das Armutsgelübde auf das gesamte Kloster und nicht nur auf den einzelnen Mönch.

Es bildete sich eine Interssengemeinschaft von Stadtbürgern und Adligen, die diesen neuen, aufblühenden Orden nach Luzern holen wollten und bereit waren, dafür Geld zu spenden. Nach jahrelangem Streit gelang es, den Widerstand des Abtes von Murbach zu brechen und mit vereinten Kräften den Kaufpreis für Boden und Bau aufzubringen.

 Die Gründung und der Baubeginn des Franziskanerklosters St. Maria in der Au geht auf das Jahr 1269 zurück und wurde von Diebold Schilling in seiner Chronik festgehalten.

Diebold Schilling Chronik Folio 7r 23

Im Vordergrund sehen wir die Gräfin von Rothenburg, die das Geld für den Baugrund auf einen Baustein legt. Daneben steht der Abt von Murbach, der das Geld einsammelt.
Links hinter Guta von Rothenburg steht eine Anstandsdame.

Beide Frauen tragen eine Haube, was sie als verheiratet oder verwitwet auszeichnet. Das offene Tragen der Haare war in dieser Zeit nur jungen, ledigen Frauen gestattet.

Guta von Rothenburg ist die einzige Frau in der Diebold Schilling Chronik, die eine höhere und wichtige Position bekleidet. Er muss grosse Achtung vor ihr gehabt haben, denn er hat sie in einem roten Kleid gemalt. Das bedeutet, dass sie die wichtigste Person im Bild ist. Er nennt Sie als Alleinstifterin und beziffert den Kaufpreis für Au und Hofstatt auf „Sächtzig Mark Silber“. Er schreibt auch, dass sie im gleichen Jahr gestorben ist und in der Franziskanerkirche beim Fronaltar im Chor beerdigt wurde.








Die Herberge zum Rössli und das alte Wasserrecht


Die ehemalige Herberge zum Rössli war das erste Luxushotel in der Stadt Luzern mit eigenem Brunnen. Anfangs des 16. JH war es die bevorzugte Adresse der französischen Ambassadoren. Das Haus zählte um die 20 Betten, plus Stallungen und Futter für Pferde und Vieh, dass gehörte zu dieser Zeit zur ganz normalen Hotel Infrastruktur. Darüber hinaus verfügte das Rössli als Alleinstellungsmerkmal über einen eigenen Brunnen.


Der Gasthof zum Rössli in der Diebold Schilling Chronik:
Diebold Schilling Chronik Folio 310v
Das Bild zeigt den Einzug des französischen Schatzmeisters in Luzern 1509. Im Hintergrund sehen wir drei Museggtürme, den Mändli-, Luegisland- und den Wachturm.
Dann sehen wir drei Steinhäuser, allesamt Gasthäuser, wie wir an den Wirtshausschildern erkennen können: Rechts das Schwert, in der Mitte das Rössli und links der Raben.
Die Wetterfahnen auf dem Dach des Hotel Rössli zeigen das Wappen des damaligen Wirtes, Peter Zumkäs.
Neben dem Wirtshausschild sieht man eine Auffrichtung zum Aufhängen von Zaumzeug. Darunter betritt gerade ein Pferd die Stallungen der Herberge. Das ist genau dort, wo heute der Eingang zum Coop City ist. Im Vordergrund im blauen Mantel reitet der französische Schatzmeister umgeben von bewaffneten Männern. Rechts vor dem Schatzmeister sieht man einen Maulesel mit Geldtruhen der französischen Krone bepackt. Hinter dem Schatzmeister sieht man noch einen Maulesel, der weitere Geldtruhen erahnen lässt.



Aus der Cysat Collectanea, Seite 136:
Brunn zum Rosslin
[Mskr. 1450, Pol. 299R] Zuo wüssen, das mgh.
vor langen zytten, vngfar Ao 15 14, den brunnen,
so jn der herbergzum Rösslj an der Müligaßen
stat, jn jrem kosten vffrichten vnd zuorüsten
laßen, ouch denselbigen derselbigen herberg
(wyl es vormalen die fürnembste vnd der
französischen ambassadoren herberg gewesen
wie noch) und vbergeben mitt dem geding, das der
brunn nüt destominder den nachpuren vnd andem,
wär deßen mangelbar vnd begert, offen
vnd gemein sin sölle.

Auf Neudeutsch zusammengefasst heisst das:
Ca. 1514 errichtet die Stadt Luzern in der Herberge zum Rössli einen Brunnen und übergab diesen mit der Bedingung, dass jeder, der Wasser mangelt oder begehrt, am Brunnen der Herberge zum Rössli Wasser holen darf.

Heute sehen wir vom Hotel Rössli nur noch den Nachfolgebau, das Coop City Gebäude. Aber immer noch gilt das alte Wasserrecht. Noch immer hat das Gebäude einen eigenen Brunnen, muss das Wasser aber für alle bereithalten. Dieses Wasserrecht erhöht den Wert des Grundstücks. Die Grundstücksbesitzerin ist deshalb tunlichst darauf bedacht, das Wasser des Brunnens jedermann zugänglich zu machen, damit ihr niemand das alte Wasserrecht streitig machen kann.

Als ich ein Bub war hiess das Warenhaus EPA und im Untergeschoss befand sich ein schmuckloses Lavabo, wo immer Wasser floss. Das Haus gehört noch immer der «Neue Warenhaus AG» mit Sitz in Zürich. Seit Jahren hat sich der Coop im gesamten Haus eingemietet. Heute befindet sich im obersten Stock im Self Service Restaurant ein kleiner Zierbrunnen, der auch immer Wasser führt. Und auch vor dem Haus befindet sich ein moderner Trinkbrunnen. Damit wird die Bedingung aus dem alten Wasserrecht eingehalten.

Unterer Mühlenplatz mit Sicht auf das Coop City Gebäude, wo früher der Gasthof zum Rössli stand.












Diebold Schilling und seine Selfies


Im Luzerner Schilling finden sich drei belegte Selbstdarstellungen Diebold Schillings:
  • Das eine mal gleich zu Beginn der Chronik, auf Folio 2r, wo der Autor dem Luzerner Rat seine Chronik übergibt.
  • Das zweite Selbstbildnis findet sich auf Folio 174v. Diepold Schilling rettet das Leben des unschuldig zum Tode Verurteilten Jakob Kessler aus dem Schwarzwald.
  • Ein weiteres Selbstbildnis findet sich auf Folio 171v. Es zeigt Diebold Schilling als Schreiber und Dolmetscher.

Folio 171v (346)
Diebold Schilling zeigt sich in grünem Gewand mit weissen Ellbogenschonern als Schreiber und Dolmetscher. Der prächtig gekleidete von hinten abgebildete Mailänder Unterhändler versucht ein Werbebündnis zwischen den Eidgenossen und Frankreich zu verhindern.




Wer ist der Mann mit dem roten Hut?
Auf der doppelseitigen Darstellung der Schlacht bei Grandson auf den Seiten 101-102 sticht ein Luzerner Kämpfer aus der Masse heraus. Er befindet sich im Vordergrund rechts an der Spitze der Gruppe und sticht gerade seinen Spiess in das Herz eines Gegners. Dieser Mann trägt keinen Helm, wie alle anderen, sondern einen roten Hut.

Diebold Schilling war nicht nur Chronist und Kaplan, er war auch rauflustig, impulsiv und eitel. Könnte es sein, dass sich Diepold Schilling durch den Mann im roten Hut selbst in Szene gesetzt hat?

Diebold Schilling Chronik Schlacht Grandson S200








Von einer Eclipsis oder Vinsterniss der Sunnen

Der Leichenzug bewegt sich durch ein Innerschweizer Dorf zur Pfarrkirche - ein Hinweis auf die nachfolgende Pest.
Diebold Schilling datiert sein Bild auf den 01. September 1448 und sieht die Sonnenfinsternis als Unheilverkündende Botschaft von Kriegen an vielen Enden der Welt gefolgt von einer furchtbaren  Pestilenz.



Von einer eclipsis oder vinsterniss der sunnen, ouch von dem grossen stritt vor Esslingen, ouch von einer pestilenz.

Hie kum ich nu wieder uff die rächt matterie diss buchs. Wann alss man zalt MCCCC viertzig und acht jar am ersten tag des monatz september zü der achttenden stund, da ward ein fisterniss der sunnen, und wurden an vil enden gross grusamlich krieg in Engeland, in Franckrich, in tütschen landen, in Flandern, in Apulia und in allen wälschen landen, mort, rouberig, brand und vil sollicher not. Es geschach ouch den Kriechen (Griechen) grosser schad von den Tartern, und also ein gute zit by zwey jaren, Darnach kam ein sollich gross pestilentz, das wenig lüten by läben blibend. Ouch beschach uff aller helgen tag (Allerheiligen) ein angriff mit einem strengen strit vor Esslingen mit denen von Wirtenberg, die aber das vält behieltend. doch wurdend uff beider sit vast vil lüten erschlagen, insunders Walter Echinger von Ulm und Jeronimus Bopfinger von Nörlingen, die warend der stetten hoptlüt. 

Bildquelle: Diebold Schilling Chronik, Editionsnummer 617.
Textquelle: Studienausgabe des Luzerner Schillings, Faksimile Verlag.
Original: Korporationsgemeinde der Stadt Luzern.





Wie ein junger Knabe zu Luzern ertränkt und wieder lebendig wurde und dann noch lange lebte.

Aus der Luzerner Bilderchronik des Diebold Schilling, Folio 80v.

Im Jahre 1470 wurde ein 11 jähriger Knabe gefangen, der sein Leben mit Diebstahl verwirkt hatte. Am Strick sollte er gehängt werden bis zum Tode. Auf Bitten seiner Familie wegen wurde er aber „nur“ geschwemmt.

Das Schwemmen war ein sogenanntes "Gottesurteil" und diente vornehmlich dem Ertränken potentieller Hexen, wurde aber auch für junge Delinquenten angewendet.
Wie beim Ertränken im Mittelalter üblich, wurde der Übeltäter in Kauerstellung gefesselt. In der einen Hand hält der Nachrichter einen Strick, mit dem er die Füsse des Verurteilten knapp über Wasser hält. Mit der anderen Hand drückt er mit Hilfe eines Steckens den Oberkörper des Malträtierten  unter Wasser.


Ebenfalls mit dem aus Zürich angereisten Nachrichter im Boot sitzen der Ratsrichter mit Schwert, der Stadtschreiber und ein Stadtknecht am Ruder. Der Henker macht seine Arbeit, während die Augen der anderen auf das Gesicht des Ertrinkenden fixiert sind, aus dessen Mund die Atemluft entweicht. Eine grausame Hinrichtungsmethode, von Angesicht zu Angesicht.

Der Junge mit Namen Hans Hegenheim ward also am rechten Flussufer Unter der Egg ins Wasser geworfen und gemächlich mit der Strömung rinnend bis ans linke Flussufer unter der Reussbrücke geschwemmt.

Dort angekommen zog ihn der Nachrichter aus dem Wasser, zerschnitt seine Fesseln und liess ihn liegen. Nach einer Weile rührte Hans Hegenheim den Mund und kam allmählich wieder zu sich. Er lebte danach noch lange, ward ein Biedermann, nahm sich ein Weib und hat hübsche Kinder gemacht. [Läpt lange Zit darnach und ward ein Bydermann, nam ein Wib und macht hübsche Kind.]

Bild: Gemeinfrei
Bildquelle: Luzerner Schilling, Diebold Schilling der Jüngere, Faksimile Verlag Luzern