Der Musegger Umgang

Im Mittelalter waren Großbrände häufig, da die Häuser meist aus Holz gebaut und mit Stroh oder Schindeln gedeckt waren. Dadurch konnten sich Feuer leicht ausbreiten, oft brannten ganze Häuserzeilen oder sogar Stadtteile nieder. Auch Luzern blieb davon nicht verschont – was wohl zur Redensart führte:

„Z’ Lozärn brönnts gern.“

Nach dem verheerenden Stadtbrand am Peter- und Paultag (29. Juni) des Jahres 1340 beschloss die Obrigkeit, Maßnahmen gegen die Feuersbrünste zu ergreifen. Zum Zeichen ihres Ernstes legte sie ein Gelübde ab: Jährlich sollten drei Ratsmitglieder eine Wallfahrt nach Rom unternehmen.

In den 1460er-Jahren wurde dieses Gelübde in den „Musegger Umgang“ umgewandelt. 1512 verlieh Papst Julius II. der Prozession den Charakter einer Pilgerreise mit vollkommenem Ablass.

Musegger Umgang, Ulrich Gutersohn (1862-1946)
Musegger Umgang, 1894, Ulrich Gutersohn (1862-1946)

Die Stadtwallfahrt entwickelte sich zum bedeutendsten Kirchenfest Luzerns – sogar noch größer als die Fronleichnamsprozession. Päpstliche Legaten aus Rom, Äbte umliegender Klöster, Komture geistlicher Ritterorden, Landammänner der Urkantone und das einfache Volk strömten in großer Zahl herbei.

Niklaus von Flüe (1417–1487) nahm oft daran teil und wurde mit grossem Respekt als „lebendiger Heiliger“ bestaunt. Einmal sollen ihm die Luzerner einen neuen Rock geschenkt und den alten als Reliquie behalten haben. Laut Hans Kurmann soll es sich bei dem in der Jesuitenkirche ausgestellten Rock um eben diese Reliquie handeln.


Der Ablauf der Prozession

Jeder Haushalt in Luzern war verpflichtet, mindestens eine Person zum Umgang zu schicken. Im 17. und 18. Jahrhundert überstieg die Zahl der Teilnehmer sogar die damalige Stadtbevölkerung. Die Pilger füllten die Straßen, Gasthäuser und Stuben. Die Stadt spendierte den Armen, Kranken und Ratsherren ein Fischmahl, den Priestern dazu auch Wein. So ging der kirchliche Anlass stets in ein geselliges Fest über.

Der ursprüngliche Musegger Umgang fand am 23. März statt und führte von der Hofkirche durch die Stadt hinauf zum Musegghügel. Dort versammelten sich die Teilnehmer unter freiem Himmel zur Messe. Am Prozessionsweg steht eine Marienkapelle, ein Bau aus dem 17. Jahrhundert.

Der „Skandal“ von 1522

Üblicherweise wurde ein auswärtiger Prediger eingeladen, um die Museggpredigt zu halten. Im Jahre 1522 fiel die Wahl auf den Zürcher Geistlichen und Zwingli-Freund Konrad Schmid. Er nutzte die Gelegenheit, um von einem gütigen Gott zu sprechen, der sowohl „väterlich“ als auch „mütterlich“ sei, und erklärte die Bibel zur einzigen Autorität. Zudem kritisierte er den Papst und die Heiligenverehrung.

Viele Zuhörer waren begeistert, andere jedoch empört – darunter auch die Obrigkeit. Diese Predigt markierte das Ende aller reformatorischen Bestrebungen in Luzern. Für die nächsten drei Jahrhunderte wurde jede protestantische Bewegung in der Stadt mit eiserner Hand unterdrückt.

Der Musegger Umgang heute

Mit der Zeit nahm das Interesse am Musegger Umgang ab. Doch es gibt Bestrebungen, diese Tradition in neuer Form wieder aufleben zu lassen. Jedes Jahr Anfang Mai wird dieser Anlass feierlich begangen.

Der nächste Musegger Umgang findet am 5. Mai 2025 von 10:00 bis 11:00 Uhr in der Museggkapelle statt. Organisiert wird er von den Pfarreien St. Leodegar und MaiHof/St. Karl in Zusammenarbeit mit dem Quartierverein Luegisland. Für die musikalische Umrahmung sorgt ein Bläserquartett.


Kopie Kapellbrücke Bild Nr 39, Dr. Jost Schumacher
Kopie Kapellbrücke Bild Nr. 39, Musegger Umgang, © Dr. Jost Schumacher


Quellen:

  • Luzern in der guten alten Zeit, Hans Kurman, 1982.
  • Lux Ritter Schultheiss und Bauherr, Kuno Müller, 1964.
  • Luzerner Zeitung 22. März 2022, Robert Knobel, Warum Luzern fast reformiert wurde.
  • Katholische Kirche Stadt Luzern, Pfarreiblatt, Zum Wohle der ganzen Stadt.