Cenodoxus vom Doctor zu Pariss

Cenodoxus, der Doctor zu Pariss ist ein Jesuitendrama, dass vom Jesuitenpater Jakob Biedermann geschrieben wurde. Das Theaterstück wurde 1602 in Augsburg uraufgeführt und im Jahre 1609 in München und Luzern zu den Osterspielen mit grossen Erfolg gespielt. Das Werk gilt als eine der Inspirationsquellen Goethes für seinen Faust I.

Cenodoxus erhebt sich vom Totenbett, Pfyfferkapelle Kloster Werthenstein.

Man stelle sich vor: In der Eidgenossenschaft herrscht Reformation und Gegenreformation. Die Nachbarn und Verbündeten der Innerschweiz, grosse Städte wie Zürich und Bern wurden plötzlich protestantisch. Abtrünnige vom Glauben, hüben wie drüben, wurden als Ketzer bezeichnet. Wir haben uns gegenseitig nichts geschenkt. Wir haben Kriege gegeneinander geführt und im zweiten Kappeler Krieg von 1531 wurde Huldrych Zwingli getötet.

Zwinglianer hängten die Bilder in den Kirchen ab. "Man bete keine Götzen an", sagten sie.
Wir widersprachen:" Wir beten nicht die Bilder an, sondern die Inhalte. Die Bilder dienen nur der Veranschaulichung und sollen uns zur Frömmigkeit anhalten."

Wir Luzerner haben uns ob dem Bildersturm der Protestanten sehr erschrocken und dagegen gehalten. Die Giebelbilder unserer Holzbrücken sind Teil der Gegenreformation. Die Protestanten haben Bilder abgehängt, wir haben noch mehr Bilder aufgehängt.

In diesem Zusammenhang sind auch die Osterspiele in Luzern zu verstehen. Wir wollten Bibeltreue beweisen und die Protestanten in den Schatten stellen. Luzern hatte zu dieser Zeit ca. 4000 Einwohner. Zu den Osterspielen am Weinmarkt erschienen um die 4000 auswärtige Gäste, auch aus den reformierten Gebieten.

Luzern war damals die grosse Kulturstadt der Eidgenossenschaft und zog viele Künstler an. So auch den aus Zürich stammenden und ursprünglich reformierten Hans Heinrich Wägmann. Er zog nach Luzern und konvertierte. Ob Hans Heinrich Wägmann des Glaubens, der Liebe oder der Arbeit wegen konvertierte, bleibt offen. Fest steht, dass er in Luzern seine grosse Liebe gefunden und geheiratet hat und heute zu den drei grossen Luzerner Kunstmalern der frühen Neuzeit gehört. Er war der Haupt-Kunstmaler und verantwortlicher künstlerischer Leiter der Giebelbilder auf der Kapellbrücke, die ab 1611 gemalt wurden.

Zurück zu Cenodoxus: Die Grundlage dieser "Comico Tragödie" geht zurück auf den heiligen Bruno von Köln. Dieser lebte im 11. Jahrhundert und studierte in Reims, wo er den hoch verehrten Doktor Raymundus alias Cenodoxus kennen lernte und verehrte. Der Legende nach, wohnte auch der heilige Bruno der Totenmesse bei, bei der sich Cenodoxus dreimal vom Totenbett erhoben hat.

Ganz Kurz zusammengefasst geht es im Theaterstück um Folgendes : Das Leben des hoch verehrten Chorherrn und Arztes Raymundus (alias Cenodoxus) ist geprägt von Eigenliebe, Ruhmsucht und Selbstüberschätzung. Nach seinem Tod soll ein göttliches Gericht entscheiden, wer die Seele erhalten soll. Während der Totenmesse erhebt sich der Leichnam vom Totenbett und spricht: "Vor Gottes Gericht bin ich angeklagt". Das führt zu einer grossen Aufregung. Die Leichenfeier wird abgebrochen und auf den nächsten Tag verschoben.
Am nächsten Tag erscheinen noch mehr Leute zur Totenmesse und wieder erhebt sich Cenodoxus vom Totenbett und ruft:" Vor Gottes Gericht werde ich gerichtet".
Die Totenmesse wird erneut abgebrochen und auf den nächsten Tag verschoben. Am dritten Tag erscheint eine grosse Menschenschar zur Totenmesse. Abermals erhebt sich Cenodoxus vom Totenbett und schreit: "Vor Gottes Gericht bin ich verdammt".


Dann kommt zum Schlussakt der Tod ins Spiel und spricht
das Gedicht des Todes (deutsche Übersetzung von Joachim Meichel, 1635)

Mein Gwalt bezwingt die gantze Welt,
Ob mir erschrickt so mancher Held,
Gross Herren, Fürsten, Potentaten
Vergehn durch mich gleich wie der Schatten.

Alls was man maint das mächtig sey,
Die Bäum, die Felsen, die Gebäu,
Das Eisen und der Stachel hart,
Was schwacher und was starcker Art,

Alls was im Lufft, was in dem Meer,
Alls was die Erden bringt hieher,
Entsetzet sich ab meinem Pfeil,
Dass ich abschiess in schneller Eil.

Bist weder du, noch der, noch der,
noch irgends andrer sicher mehr.

Diss Pfeil ist mennigklichen Gifft,
Verschonet kain und alles trifft:
Offt Kinder, offt auch Jüngling schön,
Die Alten allzeit mit mir gehn.

So lang allda vom Sand noch was
Zu lauffen hat in disem Glas
Bleibt übrig mehr nit dann nur diss,
Für einen Doctor zu Pariss,

Sehr trefflichen gelehrten Mann,
Ob er schon glert ist und vil kan,
So gilts doch alles bey mir nicht,
Mein Gwalt all Macht und Kunst zerbricht.

Er muess daran, es ist schon Zeit,
Das letzte Pünctlein ist bereit.
Ich möss, ich zihl, mein Pfeil schwing ich,
Jetzt gib ich ihm den letzten Stich…

Bey aim allein hat es kein Bleiben,
Ich muess gen noch mehr auffreiben.
Es gilt mir eben alles gleich,
Hoch oder nider, arm oder reich.
Jetzt suech ich umbher under allen,
Wer die negste Schuld müest bezahlen.


Nach dem Tod des Cenodoxus stellte sich also heraus, dass dieser hoch angesehene Mann hochmütig und prahlerisch war. Prahlerei ist ein Laster. Hochmut ist eine Todsünde. Daraus abgeleitet könnte die Kernaussage lauten: Ein wahrer Christ muss nicht nur die 10 Gebote einhalten, er muss auch nach besten Kräften die 7 Todsünden meiden.

Der heilige Bruno muss ziemlich verzweifelt gewesen sein. Er sagte sich: "Wenn dieser Mann, den ich so hoch verehrte, hochmütig und ein Prahler war. Was bin ich dann? Er kam zum Schluss, dass er aller Eitelkeit entsagen müsse und gründete den Kartäuser Orden. Die Kartäuser leben in grosser Demut sehr zurückgezogen und entbehrungsreich. Sie widersetzen sich allem, was der menschlichen Eitelkeit zuträglich ist um ja nicht hochmütig zu sein. Der heilige Bruno soll jahrelang nicht gesprochen haben und sich nur per Handzeichen verständigt haben. Ihm wurde im Jahre 1090 von Papst Urban II, einem ehemaligen Schüler, der Bischofsposten in Reggio di Calabria angeboten. Doch Bruno von Köln blieb seinen Grundsätzen treu und lehnte dankend ab.

Wie bereits erwähnt, war die Aufführung des Cenodoxus im Jahre 1609 in Luzern ein grosser Erfolg. Es wird vermutet, dass der Totentanz Zyklus des Jakob von Wyl kurz darauf in Auftrag gegeben wurde. Zu dieser Zeit war es sehr trendig, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Man hielt sich auch selbst zum Besten. So liess sich auch der vermutete Stifter des Totentanzes von Jakob von Wyl als ignoranter Bräutigam darstellen, der nicht sieht, wer ihm einschenkt.

Der_Braeutigam_im_Totentanz_des_Jakob_von_Wyl.
Der Bräutigam im Totentanz des Jakob von Wyl.

- Hauptquelle: Heinz Horat, Renaissancemalerei in Luzern 1560-1650, Seite 156 und folgende.
- Cenodoxus auf Wikipedia