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Die Richtstätte Sentimatt in Luzern

Als Hörige des Hofklosters wurden wir zunächst am Marienbrunnen bei der Hofkirche gerichtet.

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts erlaubten uns die Habsburger, selbst Gericht zu halten – dies geschah dann am unteren Fischmarkt, bei der Gerichtslinde.

Später wurde das erste Rathaus Luzerns (Vorgänger des heutigen Hotel Des Balances) Gerichtsort – die Vollstreckungen fanden an der Richtstätte Sentimatt statt.


Lage der Sentimatt-Richtstätte

Zwischen der Dammstrasse und Sentimatt 1, direkt an der Reuss, ausserhalb der ehemaligen Stadtmauern. Heute befindet sich dort ein Parkplatz, links die Pädagogische Hochschule, rechts eine Betonmauer, dahinter der Sonnenbergtunnel.


Schumacherplan auf Google maps
Genauer Standort der Richtstätte Sentimatt, Schumacherplan auf Google Maps,
Altrosa=Richtstätte, Rot=Kallenberg



Die Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacher-Plan

Auf dem Schumacherplan von 1790 erkennt man die Richtstätte deutlich:

  • Eingezäuntes Grundstück ausserhalb der Stadtmauern

  • Haupthaus mit drei Stockwerken, Nebengebäude

  • Garten mit Bäumen (vermutlich Apfelbäume)

  • Ein abgesperrter Bereich mit einem Loch – wohl zur Beseitigung der Leichen

  • Kreisförmige Erhebung in der Mitte des Anwesens: der Kallenberg, Ort der Enthauptungen

Wer alles im Haupthaus lebte, bleibt ungewiss – vermutlich die Familie des Nachrichters, seine Knechte und Mägde sowie der Wasenmeister mit Angehörigen. Trotzdem erscheint das Gebäude bemerkenswert gross. (Weitere Informationen zum Schumacherplan: Hier)

Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacherplan
Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacherplan


Darstellung bei Diebold Schilling

In der Diebold Schilling Chronik ist die Richtstätte Sentimatt ebenfalls zu sehen – mit der Reuss und im rechten Hintergrund hinter den Rauchschwaden die Museggmauern.
(Weitere Informationen zu diesem Bild: Hier)

Diebold Schilling Chronik 1513, Folio 174 v
Diebold Schilling Chronik 1513, Folio 174 v - Wikimedia



Zweite Richtstätte ab Mitte des 16. Jahrhunderts

Etwa ab 1562 wurde in Luzern eine weitere Richtstätte bei der damaligen Emmen-Brücke eingerichtet – dort, wo Reuss und Emme zusammenfliessen, auf der linken Flussseite.
Die Sentimatt wurde fortan ausschliesslich für Enthauptungen genutzt.




Schweinehaltung in der Stadt Luzern

Wie in vielen anderen Städten hielten die Bürger von Luzern bis ins 15. Jahrhundert ihre Schweine frei in der Stadt. Die Stadtmauern und Tore bildeten eine natürliche Begrenzung, innerhalb derer sich die Tiere frei bewegen konnten. Sie ernährten sich vor allem von Küchenabfällen, die aus den Fenstern geworfen wurden, und fühlten sich "sauwohl".

Um die Schweine ihren Besitzern zuzuordnen, wurden ihnen Muster ins Ohr geschnitten. Die Halter waren meist wohlhabendere Bürger, da sich nur Bessergestellte ein Schwein leisten konnten.

Die Abfälle wurden in die engen Gassen zwischen den Häusern geworfen. Diese Gassen waren oft so schmal, dass es einmal vorkam, dass ein Schwein darin stecken blieb und verendete. Daraufhin wurde festgelegt, dass Gassen breit genug sein mussten, damit ein Schweinchen darin wenden konnte.


Probleme und Veränderungen

Die frei laufenden Schweine sorgten jedoch auch für Ärger. Sie drangen in Gärten ein und fraßen, was sie fanden. Zudem gab es keine sanitären Anlagen, sodass viele Gassen auch als "Schissigässlein" dienten. Der Gestank war allgegenwärtig, und die hygienischen Zustände führten zu einer hohen Säuglingssterblichkeit. Mitte des 14. Jahrhunderts erreichte die erste Pestwelle Luzern, und langsam wurde klar, dass sich etwas ändern musste. Doch es dauerte lange, bis Maßnahmen ergriffen wurden. Noch Ende des 18. Jahrhunderts bezeichnete Goethe Luzern als "Storchennest", ein Hinweis auf die unhygienischen Verhältnisse.


Verbot der freilaufenden Schweinehaltung in Luzern

1469 wurde es schließlich verboten, Schweine frei in der Stadt herumlaufen zu lassen. In einer offiziellen Anordnung hieß es:

„Meine Herren haben allen Bürgern verboten, ihre Schweine frei in der Stadt herumlaufen zu lassen. Wer sich nicht daran hält, muss eine Geldstrafe von einem Pfund zahlen. Falls es wiederholt vorkommt, werden die Stadtdiener die Tiere einfangen. Sollte jemand durch freilaufende Schweine einen Schaden erleiden, wird der Besitzer dafür verantwortlich gemacht, als hätte er den Schaden selbst verursacht.“

Quelle: StALU RP 5A fol. 176r, Eintrag von Melchior Russ d. Ä., 19. oder 26. Mai 1469,
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen (PDF)



Ein tragischer Vorfall mit einer Muttersau (1563)

Wickiana [F 15, 389]
Wickiana [F 15, 389]

In der Wickiana, einer Sammlung von Nachrichten aus dem 16. Jahrhundert, wird ein schrecklicher Vorfall aus dem Jahr 1563 berichtet. In Maschwanden im Freiamt kam es zu einem tödlichen Unfall mit einem Schwein.

Im Juni (Brachmonat) wurden einer Muttersau gerade erst die Ferkel weggenommen. Das unbeaufsichtigte Kind einer Familie wurde von der aufgebrachten Sau angegriffen. Das Tier biss dem Kind den Kopf ab, woraufhin es starb.

Quelle: Wickiana, Nachrichtensammlung des Johann Jakob Wick, 16. Jahrhundert [F 15, 389]


Anmerkung zu „Maschwanden im Freiamt“

Der in der Wickiana genannte Ort "Maschwanden im Freiamt" bezieht sich vermutlich auf Maschwanden, eine Gemeinde im Kanton Zürich. Das historische Freiamt liegt jedoch im Kanton Aargau, südlich von Maschwanden. Es ist möglich, dass Maschwanden damals aufgrund seiner Nähe oder politischer Zugehörigkeiten mit dem Freiamt in Verbindung gebracht wurde.




Die Hinrichtungsarten im alten Luzern

In der Stadt und Republik Luzern sind folgende Hinrichtungsarten belegt:

  • Enthaupten
  • Hängen (Männer, weniger Frauen, keine Kinder)
  • Erwürgen (Männer, Frauen und Kinder)
  • Ertränken (Fast nur Frauen und Kinder)
  • Rädern (Nur Männer)
  • Verbrennen (ca 95% Frauen, fast keine Männer)
Darüber hinaus werden in verschiedenen Quellen auch das Ausdärmen und Vierteilen und das Lebendig begraben erwähnt. 

Urs Graf, 1512, Bevorstehende Enthauptung auf dem Hochgericht

Mit dem Franzoseneinfall und der Abdankung des Ancien Régime 1798 haben wir dann für ein paar Jahre mit der Guillotine gerichtet. Nach Abzug der Franzosen kehrten wir dann aber allmählich wieder zur Schwertenthauptung zurück, bevor sich dann die Guillotine endgültig durchsetzte. 1942 wurde die Todesstrafe im zivilen Bereich abgeschafft. 

Die letzte Schweizer Guillotine steht im Historischen Museum in Luzern. Sie wurde 1940 das letzte Mal benutzt.


Die Enthauptung

Die Schwertenthauptung war im alten Luzern die häufigste Hinrichtungsmethode. Es gibt kein Delikt, dass im alten Luzern nicht auch schon mal mit dem Schwert gesühnt wurde, nicht selten im Sinne einer Strafmilderung. 

So wurden Verurteilte auch aus Gnade, wegen ihrer Jugend, ihres Alters, ihrer Krankheit, ihrer Verdienste oder ihrer adeligen Herkunft wegen zum Tod durch das Schwert begnadigt.

Die Schwertenthauptung gilt als die edelste Form der Hinrichtung. 

Gemäss Malefizordnung von 1600 war das Enthaupten für verschiedene Delikte vorgesehen, wie etwa:

  • Diebstahl (wenn er "nit gar schwär" war)
  • Morddrohungen, Androhung von Brandstiftung oder Körperverletzungen
  • Totschlag
  • Vergiftungen 
  • Notzucht
  • Inzest
  • Unglaube und Ketzerei 
  • Gotteslästerung
  • Lästerung der geistlichen und der weltlichen Obrigkeit
  • Rebellion und andere Formen des Widerstandes gegen die weltliche Obrigkeit.


Ausschnitt Martiniplan, die Enthauptung des hl. Mauritius
Ausschnitt Martiniplan 1597, Enthauptung des hl. Mauritius


Das Hängen (auch Aufknüpfen)

Hängen war eine Hinrichtungsform, die vorwiegend an Männern für schweren Diebstahl vollzogen wurde. 

Dabei gilt es zwei Todesarten zu unterschieden: dem Tod durch Genickbruch und dem Tod durch Ersticken.

In Ländern, in denen das Hängen heute noch praktiziert wird, erfolgt der Tod in der Regel durch Genickbruch. Die Verurteilten fallen durch eine Falltür vom Schafott, wodurch das Genick bricht und ein schneller (und vergleichsweise "gnädiger") Tod eintritt.

Im Mittelalter hingegen verlief die Hinrichtung grausamer. Die Verurteilten wurden auf eine Leiter geführt, am Galgen festgebunden, und die Leiter wurde anschließend entfernt. Der Tod trat langsam durch Ersticken ein.

Zur Abschreckung liess man die Gehängten am Strick verrotten, bis sie verfaulten und von selbst abfielen. 

Das Aufknüpfen galt als besonders gefürchtete und schändliche Strafe.


Das Erwürgen

Beim Erwürgen am Richtplatz wurde die oder der Verurteilte an einen Pfahl gebunden. Der Nachrichter stand hinter dem Pfahl und hat die Person mit einem Strick stranguliert. 


Das Ertränken

Männer wurden selten ertränkt. Diese Hinrichtungsmethode war Frauen, Kindern und Jugendlichen vorbehalten und zwar für Delikte wie:

  • Diebstahl
  • Totschlag
  • Vergiftungen
  • Kindstötung und Abtreibung ( «kindsverderberj »)
  • Inzest
  • Kupplerei
  • Unglaube, Ketzerei
  • Gotteslästerung
  • Lästerung der geistlichen und weltlichen Obrigkeit

In der Regel wurde die verurteilte Person in Kauerstellung gefesselt und ins Wasser geworfen. Um ganz sicher zu gehen, konnte man  auch einen Stock zwischen Beine und Arme schieben, wie man es auf dem Bild unten sieht. So gefesselt musste die verurteilte Person unweigerlich ertrinken. Siehe auch: Ab 1609 wurden Frauen nicht mehr ertränkt, sondern enthauptet (Link).


Luzerner Schilling Folio 142v (288), Hochstapler Claus Ring aus Willisau
wird auf Begehren Luzerns 1486 in Konstanz im Rhein ertränkt. 



Das Rädern (auch Radbrechen)

Das Rädern war eine grausame Form der Hinrichtung, die ausschließlich an Männern vollzogen wurde, meist als Strafe für Mord.

Der Scharfrichter zerschmetterte mit einem eisenbeschlagenen Rad zunächst die Gliedmaßen des Verurteilten – Arme und Beine wurden nacheinander gebrochen. Anschließend wurde der Körper auf das Rad geflochten, das schließlich auf einem hohen Pfahl befestigt wurde. Dort blieb das Opfer dem Tod überlassen, während Raben sich über den wehrlosen Leib hermachten.

Renward Cysat berichtet von einem bewegenden Vorfall in Luzern: Eine Frau soll ihren zum Rädern verurteilten Ehemann noch vierzehn Tage lang mit Hilfe einer Leiter versorgt haben, bevor er schließlich verstarb. 


Luzerner Schilling Folio 174v
Luzerner Schilling, Folio 174v (352) (1495).
siehe auch Schilling vereitelt einen Justizirrtum und rettet Jakob Kesslers Leben.


Das Verbrennen

Hexen, Ketzer, Zauberer, Brandstifter Homosexuelle und Sodomiten wurden verbrannt. Ca. 95% davon waren Frauen, die als Hexen ermordet wurden, viele davon bei lebendigem Leibe verbrannt. Die anderen wurden zuerst erwürgt, erhängt oder enthauptet. Zur Strafmilderung wurde einigen lebendig verbrannten Frauen ein Pulversäcklein um den Hals gebunden. 


Das Ausdärmen und Vierteilen

Diese Strafe galt als eine der grausamsten Hinrichtungsarten und war Verrätern vorbehalten. Der Verurteilte wurde auf einen speziellen Tisch gebunden und zunächst kastriert. Anschließend öffnete man seinen Bauch und entnahm ihm die Eingeweide, wodurch er qualvoll verstarb. Danach wurde er enthauptet und gevierteilt. Sein Kopf wurde aufgespießt, während die Gliedmaßen zur Abschreckung an den Stadttoren befestigt wurden.


Luzerner Schilling 210r
Luzerner Schilling, 1513, Folio 210r (425). Ein Knecht, der die Stadt an die Franzosen
verraten wollte, wird grausam gevierteilt (1500)


Das Lebendig begraben

Renward Cysat weist darauf hin, dass «vor Zeiten» am heutigen Kreuzstutz, Kindsverderberinnen lebendig begraben wurden. Auch Folio 285r aus der Diebold Schilling lässt solches vermuten.
Siehe: die Kapelle der Kindsverderberinnen.


Strafverschärfung

Genau so wie die Strafmilderung, gab es auch die Strafverschärfung. Oftmals war diese an Grausamkeit nicht zu übertreffen. So wurden Verurteilte mit glühenden Zangen gezwickt, am Körper, unter den Achselhöhlen und Frauen in die Brust. Letzteren wurde auch schon die Zunge rausgerissen. Dieben wurde vor der Tötung die rechte Hand abgehackt.


Mehrfachstrafen

Im Vergleich zur Strafverschärfung wirken posthum vollzogene Mehrfachstrafen geradezu absurd. So wurde etwa einem Geräderten zusätzlich ein Galgen aufs Rad gesetzt, um ihn auch noch zu erhängen (Siehe Bild).


Luzerner Schilling Folio 280r. (567). Mehrfachstrafen: Urs Nagel (oben rechts)
wird in Luzern wegen Mord gerädert und wegen Diebstahls gehängt.
Danach wird er dann noch wegen Sodomie verbrannt werden (1508).

Quellen:

  • Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), Michael Harrer, Manuela Ros, Jürg Manser (Hrsg.), 1992.
  • Die Schweizer Bilderchronik des Luzerner Diebold Schilling (Luzerner Schilling)1513 und Kommentarband, 1981, Alfred A. Schmid (Hrsg.)
  • Geschichte der Luzerner Rechtssprechung, Justiz- und Sicherheitsdept. Kt. Luzern. Link





Ab 1609 wurden Frauen enthauptet statt ertränkt

Unser bedeutendster Chronist, Renward Cysat, schildert in seiner Collectanea [E. Fol. 408R] unter dem Titel "Wyber Enthouptung" eine bedeutende Änderung in der Luzerner Rechtsprechung:

Nach altem Stadtrecht war es üblich, Frauen, die eines Verbrechens für schuldig befunden wurden, nicht durch das Schwert zu richten, sondern sie zu ertränken – oder, sofern sie der Hexerei bezichtigt wurden, auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Eine Begründung für diese Praxis findet sich nicht.

Doch in jüngerer Zeit mahnten geistliche Seelsorger und Beichtväter, dass das Ertränken ein langsamer und qualvoller Tod sei, der die Verurteilten in tiefe Verzweiflung stürzen und vom Glauben abbringen könnte. Um dieser Grausamkeit entgegenzuwirken, beschlossen die Obrigkeit, der Rat und die Hundert, dass Frauen, die nicht der Hexerei oder Zauberei schuldig waren, künftig – wie die Männer – durch das Schwertgericht hingerichtet werden sollten.
Diese neue Praxis wurde daraufhin eingeführt, wie es bereits in anderen Städten üblich war.

Einige Seiten weiter, auf  [Fol. 51v] erwähnt Cysat einen grausamen Fall von Blutschande: 

Ein Landmann aus der Umgebung Luzerns hatte nicht nur weitere Vergehen begangen, sondern auch seine Stieftochter geschwängert. Beide wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Urs Graf, 1519, einsame Enthauptung einer nach links knieender Frau, vor Seenlandschaft
Urs Graf, 1519, einsame Enthauptung einer nach links knieenden Frau, vor Seenlandschaft.





















So wurde das Urteil auch an der unglücklichen Tochter vollstreckt, die am 23. Dezember 1609 enthauptet wurde – als erste Frau in Luzern, die auf diese Weise ihr Leben verlor. Dieses Ereignis galt als außergewöhnlich und beispiellos.



Der Wasserturm zu Luzern

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Wasserturm mit Regenbogen von Silvan Kaeser © ImagePoint.biz

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Kapellbrücke, Wasserturm, 1597
Der Wasserturm wurde um 1300 als freistehender Wach- und Herrschaftsturm gebaut. Die Kapellbrücke folgte ein paar Dekaden später. Luzern war damals fest in habsburgerischer Hand.
Die Bauform ist achteckig. Der Turm ist 34,5 m hoch, sein Umfang beträgt 38 m und die Mauern sind bis zu 4 m dick.Von Ausnahmen abgesehen, ist der Wasserturm der Öffentlichkeit für Besichtigungen nicht zugänglich.


Der Turm hat vier Etagen. Zuoberst im Obgaden haben sich heute
Alpensegler eingenistet, die vom Ornithologischen Verein  beobachtet und erforscht werden.

Früher wurden dort Leute im Rahmen von peinlichen Befragungen aufgezogen.
Aufziehen_im_Wasserturm_ Aus_Luzerner_ Schilling_Folio_129v_ Amstaldenhandel
Luzerner Schilling 129v
Der Obgaden diente u.a. auch als Gefängnis. Daran erinnert eine Toilette, so eine Art kombiniertes „Rutschbahn-Plumpsklo“. Während des Franzoseneinfalls wurden im Wasserturm auch Deserteure eingesperrt. Einer wollte aus dem Fenster flüchten und fand dabei den Tod, denn das Wasser war nicht tief genug. Der durchschnittliche Pegelstand des Sees war zu dieser Zeit um ca. 3 m tiefer als heute, bzw. vor dem Wehrbau.

Die zweitoberste Etage ist heute die Turmstube des Artillerievereins. Der Artillerieverein hat den Wasserturm nämlich gepachtet, mitrestauriert und unterhält ihn mit grosser Hingabe.
Früher war in diesem Raum die Schatzkammer der Republik Luzern untergebracht.
Dann folgt eine Geheimkammer, die nach dem Raub des Staatsschatzes gebaut und nach ihrer Wiederentdeckung um 1900 leer vorgefunden wurde.

Eine Etage weiter unten war früher die Rüst-,  Waffen- und Folterkammer. Heute gibt es in diesem Raum zahlreiche Waffen aus früheren Zeiten zu sehen.





In der Mitte des Raumes ist ein Loch, welches 6 m in die Tiefe führt, ins Verlies. Das Verlies des Wasserturms diente vornehmlich für die “Untersuchungshaft“.

Die Gefangenen wurden auf einem Holztütschi sitzend an einem Seil in das Verlies hinuntergelassen. Dann wurde der Deckel zugemacht und dunkel war’s.

Diebold Schilling vereitelt einen Justizirrtum

Diebold Schilling zeigt uns auf Folio 174v seiner Chronik eine Begebenheit die sich am 29. April 1495 auf der Richtstätte Sentimatt zugetragen hat.

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Diebold Schilling Chronik Folio 174v - Wikimedia

In der Bildmitte in rot gekleidet steht der Ratsrichter und hält das Richtschwert in der Hand. Er ist die wichtigste Person auf dem Bild und symbolisiert die obrigkeitliche Gerichtsbarkeit. Er macht eine Handbewegung zum Nachrichter (Henker) und befiehlt ihm inne zu halten.

Der Nachrichter guckt verduzt und setzt gehorchend das eisenbeschlagene Wagenrad wieder ab. Er wollte gerade mit dem Rädern beginnen und als erstes den rechten Unterschenkel des am Boden liegenden Verurteilten zertrümmern.

Was ist passiert?
Diebold Schilling ist herbeigeeilt. Er zeigt auf den Verurteilten und berichtet, dass dieser unschuldig sei. Diebold Schilling ist im Priestergewand gekleidet, denn er war ja auch Leutpriester in der Peterskapelle. Diebold Schilling ist auf dem Bild als untergeordnete Person dargestellt, die unterwürfig um Gnade für einen unschuldig Verurteilten bittet.

Der Verurteilte heisst Jakob Kessler und ist ein Landstreicher. Er kommt aus dem Breisgau und er soll in Lenzkirch bei Titisee im Schwarzwald einen Mord begangen haben. Das jedenfalls wird ihm angelastet und das hat er auch unter schwerer Folter gestanden. Dem Beichtvater aber hat er glaubhaft berichtet, dass das gar nicht stimmt und zwei Stadtknechte haben das auch gehört. Diese wandten sich an Diebold Schilling und dieser setzte sich mutig für die Gerechtigkeit ein.

Es wurden sofort Boten nach Lenzkirch ausgeschickt, um weitere Informationen zu erhalten. Doch in Lenzkirch wusste niemand von einem Mord zu berichten.
So wurde Jakob Kessler freigelassen und er ging dann nach Santiago de Compostela. Entweder aus Dank für seine Rettung oder es wurde ihm aufgetragen. Denn es war üblich, freigelassene Gefangene auf eine Strafwallfahrt zu schicken.

Ganz rechts im Bild wird ein Mann verbrannt, ebenfalls ein Auswärtiger. Er heisst Martin Senn, kommt aus Savoyen und soll eine Jungfrau erschlagen und mit einer Kuh Sodomie begangen haben.
Oben links im Bild ist ein dreieckiger Galgenbau zu sehen mit zwei Gehängten, die vielleicht schon vor Wochen aufgeknüpft wurden.
Zur Abschreckung liess man die Gehängten nämlich am Galgen baumeln, bis die Körper verfaulten und von selbst abfielen. Oben im Bild in der Mitte sieht man die Reuss und rechts davon hinter dem Rauch Teile der Museggmauer.

Auch wenn sich Diebold Schilling auf diesem Bild unterwürfig und bescheiden darstellt, so ist er doch der grosse Held. Wie konnte er es wagen während einer öffentlichen Hinrichtung vor einer grossen Menge von Schaulustigen ein Gerichtsurteil der Obrigkeit anzuzweifeln, die sich selbst als von Gott eingesetzt und als unfehlbar erachtete?
Was für ein Risiko ist er dabei eingegangen?
Das lässt sich nur schwer erahnen, lässt aber vermuten, dass er mutig war und über genügend Ansehen verfügte, dass er sich das erlauben konnte. Anderen wäre für ein solches Gebaren “Reden gegen die Obrigkeit” zur Last gelegt worden und man hätte ihnen die rechte Hand abgehackt und sie an einem Pfahl erwürgt.

Diebold Schilling hat uns über die ungerechte Gerichtsbarkeit seiner Zeit aufgeklärt. Heute wissen wir, dass mit ungleichen Ellen gemessen wurde. Unter allen Hingerichteten dieser Zeit kamen 40% aus der Luzerner Landschaft (Untertanengebiet), 46,5% waren sonstige Auswärtige und nur gerade 2% waren Stadtluzerner.




Die Geschichte des Hans von Trient, aus der Wickiana

Aus der Wickiana, der Nachrichtensammlung des 16. Jahrhunderts von Johann Jakob Wick*

Die Wickiana ist in "Alt-Schweizerdeutsch" geschrieben.
Im Folgenden finden Sie ein Video mit der Uebersetzung ins Neu-Schweizerdeutsche, gefolgt vom Originaltext.



Ritterscher Palast und Regierungs-
gebäude des Kantons Luzern
Als schuldhess Lux Ritter zuo Lucern einen kustlichen und gwaltigen buw, eines huses halb, verhanden gehabt, und so er in bis zum end ussgefürt (wo Gott sin läben nütt kürzeret, und bloss eines klafters hoch von der erden uss dem fundament uffgefürt), so hette man der glichen in der eidgenoschafft auch nütt in tütscher nation gehept; desshalb hatt in kein kost noch arbeit duret, wo er verruompt künstler und werckmeyster, die im zuo disem buw dienstlich, gwüsst, hatt er beschickt. Also hatt er auch disen meyster Hansen nütt wöllen dahinden lassen, desshalb hatt er in früntlich beschriben, von wägen siner kunst, welcher mit steinhauwen wyt und breit verrümpt gewäsen.

Als er nun kommen, hatt M. Hans noch vilen verheissungen conditionaliter mit dem schuldhessen ghandlet und under anderem angezeigt, we sines glauben betreffende, volfuort habe, dardurch er villicht in grose gfaar lybs und läbens kommen möchte, derhalben er ims ernstlich ageschlagen. Uff das hatt im der schuldhess Ritter wiederum geantwortet und verheissen, im sölle (so verr er sin wäsen still und by im selbs behalte) nütt args noch nochtheiliges widerfahren. Uff sölliche zuosagung hatt er den dienst angenommen, und haben ein geding mitteinanderen gemacht. Namlich hatt im schuldhess Ritter alle wuchen 4 kronen, ässen und trincken an sinem tisch, darzuo herberig, under und über verheissen. Dess verdings sind sy beyd wol zefriden xin, und hatt sich M. Hans gar wol gehalten mit siner handarbeyt.

Als nun herr schuldhess verschinen jars oberster im Picardy zug worden und vor hin sin eewyb von ihm ussgeiagt, also daheim kein rechte husshaltung gehalten, hatt er M. Hans gebätten, er sölle fürbass fürfaren und dester fürer zuo siner husshaltung auch achten haben, so wölle er im sin besoldung besseren, im all wuchen VI kronen gäben, so lang er dess zugs halb uss sye. Dess ales ist M. Hans wol zefriden xin, hatt sich still, züchtig und gar getragen gegen menklichen. No dem allem hatt sich der zug und krieg dess schuldhess by XIV wuchen verloffen, hatt also XXVIII kronen sich verloffen, welches nun angstanden biss uff Annuntiationis Mariae verschiner fasten. Domals was der pfarrherr von Wyl von S. Benedict, von Hertenstein, gen Lucerne geschikt. wölcher noch dem krützgang und predge mitt herr schuldhessen Ritter zimbis gässen, sampt M. Hansen sinem steinmetz.

Und als herr schuldhess letstlich wol bezächet ward, fieng er an, M. Hansen anzetasten sines glaubens halb, vermanet glich den pfarrherr von Wyl, an in zekeren und zuo erfaren, wess glaubens er sy. Dess widriget sich M. Hans und sprach, er sye nütt hie von disputierens wägen, bätte derhalben in, das er in lasse beliben, wie er es anfangs verheissen. Uff sömlichs ward der schuldhess erzürnt; als er ein guoten trunken ghan, fieng er an, dem pfarrherr zuo Wyl erzellen, wir er habe einen käzerischen glauben, habe nütt gebichtet, und ander vil schmachworten mer, welches in nahin übel geruwen; und diewyl ers aber offentlich grett, hatt er nütt für mögen kommen, sonder hatt sinen worten statt müssen thuon. Darauff hatt M. Hans der rechnung und urlaub begärt, und als der rechnung nach uff die XIV wuchen sines absäsens, wie obstad , kommen sind, hatt herr schuldhess wöllen hindersich zühen und siner verheissung nütt statt thuon, vermeinende, er sölle sich der vier kronen, wie anfangs angenommen, vergnügen lassen, und der XXVIII kroenen geschwigen für die XIV wuchen sines kriegs. Söllichs aber hatt M. Hans nienen wöllen hören denken. Sind also des spans halb für rad kommen.

Nachdem nun M. Hans vor der Herrschaft des grosen unbillens sich erklagt, stund schuldhess Ritter abermal, fieng in an ein käzer schelten, sampt anderen schweren anklagen. Die herren, die des zuohören, kartend an schuldhess gütelich, er sölle M. Hansen siner begär nach ausrichten und bezahlen und sin strass in faren lassen; welches nütt hatt mögen xin, derhalb der rad zuo Lucern verursachet ward, zuo im zegryfen, den grund zuo erfaren, haben in gfenklich angenommen. Als er nun ein guote zyt in der gfenknuss gelägen und von im ettlich irrig artikel usgägen, do man aber an sim letsten end wol gspürt und gsähen, wess glaubens und religion er xin, ist er am montag vor pfingsten vom rad verurtheilt und mit dem schwert gericht.

Als im (wie brüchig ist) der richter dess bluots sin läben im thurn abkünt, hatt er frölich gesprochen: Gott sye globt, das ich dise stund erläbt han. Hat daruff frische, hüpsche kleider in thurn beschikt, darin er sin vergycht verhört. Als er aber für das nüw gebüw dess schuldhessen gefürt, hatt er sich zum dritten mal gestelt und besähen, gsprochen,


Wickiana, Johann Jakob Wick
hette er das sin nütt ghöuscht, were es im darzuo nütt kommen; der schuldhess Ritter sye an sinem tod schuldig; er werde aber das huss nütt ussbuwen. Den dritten tag noch im werde er glich so gross zuosähen haben, als er yezmal hab. 

Als er uff die richtstatt kommen und im die priester vil ermanet und zuogesprochen, doch er sy nütt wöllen hören, hatt er sich unerschrokenlich umsähen, niderknüwet, sin haupt und augen erhept gen himmel und gsprochen:
Jesu von Nazareth, erbarm dich minen; umb dines nammens willen wil ich diesen tod gern lyden. Hatt darmitt sin haupt gestrekt und ist im empfallen.

Den dritten tag darnach ist schuldhess Ritter gestorben. Es sol in ein hart feber ankommen sin. Hatt sich gar unordenlich mit ässen und trinken gehalten, auch in aller völle und wynfrüchte hatt er sich mitt sampt siner purs uff einer ersten mäss in ein kalt wasser gworffen, demnach heimkommen, hat im lassen ein wasserbad rüsten, darin er ein wyl gesässen, so gar kranck worden, das yedermann vermeynt, er wurde angends sterben. Hatt aber also noch VII stund erharret und ist zuoletst verscheiden.
Es hatt der rhat zuo Lucern in, schuldhessen Ritter, erst noch sinem tod gestrafft und gebüsst umb IV tuset kronen, von wägen das er mer holtzes zuo disem sinem buw gehauwen, dan im erlaupt was.


* Der Bericht des reformierten Pfarrers Johann Jakob Wick entstand zur Zeit der Reformation und Gegenreformation. Als protestantischer Pfarrer am Zürcher Grossmünster war Jakob Wick ein Gegenspieler der katholischen Gegenreformation.
Eine hochgradige Befangenheit kann ihm deshalb nicht zu unrecht angelastet werden.
Im Weiteren irrt sich Jakob Wick mit der Aussage, das Haus sei erst ein Klafter über dem Fundament erbaut. Als der Steinmetz und der Schultheiss den Tod fanden, war der Rittersche Palast zu gut zweidrittel fertig.
Trotzdem ist die Wickiana eine hervorragende und gleichzeitig eine der wenigen Quellen zu diesem Thema.

Lesen Sie auch: Was sagt Renward Cysat zu Hans von Trient.






Was sagt Renward Cysat zu Hans von Trient?

Renward Cysat war als 14-jähriger bei der Hinrichtung des Hans von Trient (alias Johannes Lyn) dabei und hat uns auch zu diesem Thema wertvolle Information hinterlassen.

Im Folgenden finden Sie den Originaltext aus der Cysat Collectanea (als Bild), meine freie Uebersetzung in die deutsche Schriftsprache und zuunterst ein Video mit der Uebersetzung auf Neu-Schweizerdeutsch.

Cysat Collectanea,
1, 1/2, S 198
[B. Fol.238v] 9. Mai 1559. Lux Ritter, Schultheiss dieser Stadt, vir insignis humili tamen loco natus, stirbt. Vorhergesagt hat seinen Tod Meister Hans Lyn, ein vortefflicher Bild- und Steinhauer aus Holland, den er zu seinem neuen Palastbau bestellt hat. Und die Ketzerei, die er an ihm gewusst hat, hat er menschlich geduldet bis er der Rechnung halber mit ihm stössig wurde.
Die Sache wurde öffentlich bekannt, so dass er Meister Hans in Gefangenschaft gebracht hat. Letzlich nach viel und langem milden Unterhandeln wurde Hans seiner Hartnäckigkeit wegen, 3 Tage vor dem Absterben des Lux Ritter, mit dem Schwert gerichtet.
Doch ist auf seine Vorsagung nichts zu geben, denn der Schultheiss war krank.

Dieser Mann hatte einen seltsamen Irrglauben, er starb beständig und fröhlich. Ich (Renward Cysat) habe allem selbst zugesehen. Es weinte viel Volk um ihn aus Erbarmen. Von allen Bekannten hat er sich freundlich verabschiedet.

Seine Ketzerei war, dass er glaubte, er wäre ein leiblicher Bruder Christi, und Maria hätte noch drei Söhne nach Christus geboren und er wäre der vierte, oder der letzte. Solches sei ihm in einem dämmrig blauen Lichtlein vor Zeiten in seiner Schlafkammer erschienen. Dafür würde er sterben. Er hat sich auch weder von geistlichen noch von weltlichen Personen davon abwendig machen lassen.
Er hat seine 60 Jahre. Er ist auch fleissig und täglich zur Messe gegangen, hat sich andächtig gezeigt; gab gern und willig Almosen und die erste Münze, die er in seinem Geldsäckel ergriff.

Auf der Richtstatt, wo der Nachrichter ihn enthaupten soll, kniet er nieder und schreit mit lauter Stimme:

"O Herr Jesu Christi, ich befehle dir mein Leib und Seele"

Darüber war alle Welt verwundert, da er ja weder priesterlicher noch anderer katholischer Ermahnung gehorchen wollte.

Aus der Cysat Collectanea 1, 1/2, S 198 frei übersetzt von Ralf Fioretti.



Lesen Sie auch: Die Geschichte des Hans von Trient, aus der Wickiana.




Die Zuger Hexenjagd von 1737

Die letzte Hexenhinrichtung in Luzern datiert vom Jahre 1675. Dann war in Luzern lange Zeit Ruhe bis sich 1737 in Zug eine 16-Jährige selbst angezeigt und auch Leute aus dem Luzernerland denunziert hat. Diese Selbst-Denunziation führte zu einer eigentlichen Hexenhysterie, die acht Menschen das Leben kostete, zwei Menschen in die Invalidität führte und einem Dutzend Personen den guten Ruf kostete.

Beispielbild_der_Streckfolter_Wickiana_Zentralbibliothek_Zürich
Beispielbild der Streckfolter, Wickiana, Zentralbibliothek Zürich

In Zug herrschten zu dieser Zeit politische Wirren, es grassierte eine Viehseuche und im Mai 1737 ging ein zerstörerischer Hagelschlag nieder. Noch ein Jahrhundert zuvor, hätte man dafür eine Hexe gesucht, gefunden und verantwortlich gemacht. Doch im Jahre 1737 wurden die Behörden nicht von sich aus aktiv. Vielmehr brachte die Selbstanklage einer jungen Frau den Stein ins Rollen.

In der Stadt Zug lebte ein Josef Kalbacher aus Salzburg, ein geduldeter Fremder. Von Beruf war er Schleifer und zog auf Jahr- und Wochenmärkten umher. Er war mit Maria Elisabeth Heinzer aus Arth verheiratet und die beiden hatten eine 16 jährige Tochter mit Namen Katharina, genannt die "Schlifferlin".

Einen Teil ihrer Jugend verbrachte Katharina Kalbacher bei einem Bauern namens Josef Kopp in Beromünster. Bei dessen inzwischen verstorbener Ehefrau hätte sie auch das Hexen gelernt, sagte sie später aus. In Beromünster muss sie wohl auch die Magd Elisabeth Kopp kennengelernt haben, die sie später denunzierte. Ob Josef und Elisabeth Kopp in verwandtschaftlicher Beziehung zueinander standen, oder einfach nur Namensvettern waren, wissen wir nicht.

Katharina Kalbacher begleitete ihren Vater auch auf Jahr- und Wochenmärkten und kannte die Gegend als auch die Krämer, Hausierer und Marktfahrer aus der Gegend. Einige Personen aus dem Umfeld der "Schlifferlin" zogen ihren Neid oder Hass auf sich mit fatalen Folgen für alle Betroffenen.


07. August 1737
Die 16 jährige Katharina Kalbacher bezichtigt sich vor den Zuger Behörden der Hexerei.

09. August 1737
Aufgrund ihrer Denunziationen werden die 40 jährige Krämerin Katharina Gilli aus Salenstein (TG), die vier Schwestern Katharina (34), Anna Maria (37), Teresa (40) und Margreth Bossard (42), sowie deren Tante Elisabeth Bossard (70) verhaftet, verhört und gefoltert.
Die Bossardschwestern sind Töchter des Zuger Stadttorwächters Beat Jakob Bossard.

05. September 1737
Katharina (34), Teresa (40), Margreth (42) und Elisabeth Bossard (70) werden aufgrund ihrer Geständnisse zum Tode durch "lebendig verbrennen" verurteilt.

12. September 1737
Die vier obgenannten werden dem Zuger Nachrichter (Scharfrichter) Josef Grossholz übergeben und am Zuger Hochgericht lebendig verbrannt (1). Drei von ihnen (Katharina, Margreth und Elisabeth Bossard) werden auf dem Weg zur Richtstätte mit glühenden Zangen "gezwickt". Margreth Bossard wird zusätzlich "mit feurigen Zangen" die Zunge aus dem Mund herausgerissen.

19. September 1737
Anna Maria Bossard (39) vermag der Folter nicht mehr zu widerstehen. Auch sie gesteht und besiegelt damit Ihr Todesurteil.
Gleichzeitig bleibt die vom Verkauf von Liedern und Kalendern lebende Krämerin Katharina Gilli standhaft und beteuert ihre Unschuld. Sie stirbt später im Gefängnis an den Folgen der Folter.

15 Oktober 1737
Katharina Kalbacher sagt aus, dass ihr in den Sinn gekommen sei, dass auch der Schumacher Josef Markus "Marx" Stadlin (1686-1750), dessen Frau Anna Maria Petermann (56) und die 18 jährige Tochter Stadlins aus erster Ehe, Maria Euphemia Stadlin zum Hexenstand gehören. Alle drei werden verhaftet und verhört. Stadlin und seine Tochter bleiben standhaft, Anna Maria Petermann gesteht.

21. Oktober 1737
Auf Denunziation der "Catharina Calbacherin" hin wird in Beromünster die Magd Elisabeth Kopp verhaftet und auf einem Karren gebunden nach Luzern gebracht. Auch sie muss eine ganz willensstarke Frau gewesen sein und beteuert standhaft ihre Unschuld.

30. Oktober 1737
Anna Maria Bossard (37) und Anna Maria Petermann (56) werden in Zug lebendig verbrannt.

November 1737
Katharina Kalbacher wird auf Bitten der Luzerner Obrigkeit zwecks Befragung nach Luzern gebracht. Die Luzerner übernehmen die Kosten und es wird vereinbart, dass Katharina Kalbacher nicht gefoltert werden darf. Katharina Kalbacher benimmt sich ungehörig (2), verstrickt sich in Widersprüche und erregt Misstrauen.
Derweil Elisabeth Kopp weiterhin tapfer der Folter widersteht und ihre Unschuld beteuert.

2. Dezember 1737
Katharina Kalbacher, deren Aussagen falsch und verlogen seien, wird von der Luzerner Obrigkeit nach Zug zurückgeschickt. Elisabeth Kopp wird als Invalide aus der Haft entlassen. Ihre Ehre wird nicht wiederhergestellt.
(Der Prozess gegen Elisabeth Kopp ist der letzte Hexenprozess in Luzern).

13. Dezember 1737
Elisabeth Kopp's Bruder gelangt mit der Bitte um eine Beisteuer für seine Schwester an die Obrigkeit. Elisabeth sei nicht mehr in der Lage "ihr Brod mit ihrer Handarbeith" zu verdienen. Das Gesuch wird abgelehnt.

16 Dezember 1737
Katharina Kalbacher wird in Zug hingerichtet. Aus Gnade oder zum Dank für die stets gute Kooperation wird sie nicht lebendig verbrannt, sondern mit dem Schwert enthauptet.
(Katharina Kalbacher ist die letzte Hexe, die in der Innerschweiz hingerichtet wird.)

23 Januar 1738
Die Thurgauerin Katharina Gilli bricht während eines Verhörs zusammen und stirbt fünf Tage später im Gefängnis an den Folgen der Folter.

Daraufhin sieht sich die Zuger Obrigkeit (endlich) veranlasst den Prozess abzubrechen. Markus und Euphemia Stadlin werden freigelassen, nachdem man sich ihre Verschwiegenheit zugesichert hat. Beide Freigelassenen sind für die Zeit ihres Lebens durch die Folter gezeichnet, vor allem Euphemia Stadlin.

1742
Josef Markus Stadlin heiratet noch einmal und stirbt 1750.

1737-1747
Die "kranke und lahme" Maria Euphemia Stadlin wird von der Zuger Obrigkeit durch Almosenzahlungen unterstützt. Wegen Ihres "ellenden" Zustandes wird ihr erlaubt, sich noch 1747 bei Nachrichter Grossholz kurieren zu lassen (wohlgemerkt: Derselbe der sie gefoltert hat!).

Jetzt bleibt die Frage nach dem Warum. Was haben all die Denunzierten der Katharina Kalbacher getan, dass sie ihnen das angetan hat? War sie schwachsinnig oder verrückt?
Gemäss Philippe Bart's Forschungsarbeit, der Quelle dieses Beitrags, ist pubertärer Geltungsdrang, ein starker Hang zur Selbstinszenierung und allenfalls Rachegedanken die wahrscheinlichere Erklärung für die Selbstanklage der Katharina Kalbach.

(1) Die Hinrichtungsstätte in Zug befand sich bei der heutigen SBB Station Zug Schutzengel.

(2)  Gemäss Kundschaft vom Stadtdiener Josef Anton Stalder (1) steht in den Akten vom 23. November 1937: Als er Katharina Kalbacher in ihr Nachtgemach führen wollte, hätte diese "geschruwen und gewütet". "Es woll nit in disem Saustall bliben [...] es sy zu Zug recht ghalten worden".
(Der Name von Josef Anton Stalder taucht 1759 wieder in den Akten auf. Diesmal als Hauptangeklagter beim Raub des Luzerner Staatsschatzes).


Quelle: Bart Philippe, Hexenverfolgungen in der Innerschweiz 1670-1754, Der Geschichtsfreund 158. Band, 2005.



Die letzte Hexenhinrichtung in Luzern im Jahre 1675

Nach mehreren Klagen der Dorfbevölkerung verhaftet die Luzerner Obrigkeit am 08. August 1675 die 57 jährige Anna Weibel aus Schongau. Sie wird ins Turmverlies gesteckt und der Hexerei angeklagt. Unter der Folter denunziert Anna Weibel die ebenfalls aus Schongau stammende um die 60 Jahre alte Anna Strebel. Beide Frauen waren im Dorf als Hexen verschrien.

Die zuerst verhaftete Anna Weibel gesteht unter der Folter das ganze Programm, dass üblicherweise bei Folterverhören von "Hexen" herausgepresst wurde: Schadenszauber, Tierverwandlung, Wetterzauber, Teilnahme am Hexensabbat, Hostienfrevel und den Pakt und den Beischlaf mit dem Teufel.

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Hexensabbat, Illustration der Genfer Hexenprozesse von 1570, Wickiana. 
Gemäss Turmbuch gestand Anna Weibel, sich in einen Hasen, Fuchs und Hund verwandelt zu haben; samt einer Gespielin machte sie sich sogar zu einem Huhn.

Zum Wetterzauber von Anna Weibel steht folgendes im Turmbuch: «Die Margret und sy haben in hysin des Teüffelss uf der holen Rütti ein Regen gemacht, wahren beide naß worden, haben in Bach geschlagen. Es habe domahlen auch gehaglet, der Hagel wahre [ ! ] über das hölzli gegen Niderschongen hinahgangen, habe aber nichts geschänt [geschadet]. 

Zur Teilnahme am Hexensabbat steht folgendes im Turmbuch: Anna Weibel von Schongau "bekennt, sy sye uf die Brattelenmatt zu nach gefahren uf einem steken, welches [!] sy angesalbet, aldort haben sy gessen, trunkhen und gedanzet, sy habe gemeint, es sye rechter wyn und sye die Spiss (Speise) wie Pappen gesin, habe sy nicht guot gedunkt, der Böse sye oben an gesessen, nachgentss sye die Anna (Anna Strebel) by ihro unden gesessen, sonst habe sy niemandt kent. 

Im Irrglauben des Hexenwahns glaubten die Gelehrten, dass der Teufel seine "Hexen" taufe und ihnen einen Namen gäbe. Im Turmbuch steht dazu: Anna Weibel von Schongau gestand: "Der Tüfel sey sambt ihro im Bach gestanden und habe mit einem Schüfeli über sye Wasser aben geschütet, sy wüsse aber nit mehr, was er ihro für einen Namen gab." 

Knapp ein Monat nach Ihrer Verhaftung, am 04. September 1675 wird Anna Weibel zum Hochgericht in Emmenbrücke geführt. Das Urteil lautete: Abschlagen der rechten Hand und lebendig ins lodernde Feuer werfen.
Anna Weibel war die letzte "Hexe" die in der Luzerner Herrschaft, dem heutigen Kanton Luzern, hingerichtet wurde.

Die zweitverhaftete Anna Strebel muss eine ganz seelenstarke Frau gewesen sein. Sie wurde während Monaten verhört und gefoltert und befand sich anfangs 1676 noch immer in Turmhaft. Doch Sie blieb standhaft und überstand die Folter. Sie gestand keine der ihr angedichteten Hexereien.

Nach mehreren Monaten wurde man des ergebnislosen Folterns überdrüssig und wegen der aufgelaufenen Kosten handelte die Luzerner Obrigkeit. Anna Strebel wurde ins städtische "Blatterhus"(1) verlegt, wo sie bei "Mues und Brot" bis zu ihrem Lebensende bleiben solle. im Turmbuch steht: "Damit alle Ungelegenheiten und Argwöhn zu Schongen uf gehept syen" und die als Unholdin Verschriene "den Leüten nit mehr in den Augen umgehen müösse". 

Über ihren Gesundheitszustand nach der Folter haben wir keine Kenntnis. Ebensowenig wissen wir, wie lange sie noch gelebt hat. Es darf jedoch vermutet werden, dass die ca. 60 jährige Anna Strebel durch die Folter körperliche Schäden davongetragen hat und vielleicht gar nicht mehr in der Lage war, ihren Lebensunterhalt selber zu bestreiten. Vielleicht war das auch ein Grund, dass sie ins Blatterhus gesperrt wurde und nicht zurück nach Schongau zu ihren verärgerten Nachbarn gehen konnte oder durfte.

(1) Blattern ist ein anderes Wort für Pocken und das "Blatterhus" ist ein Spital für Pocken- und Syphiliskranke.

Quellen:
Bart Philippe, Hexenverfolgungen in der Innerschweiz 1670-1754, erschienen im "Der Geschichtsfreund" Band 158/2005. Seiten 48, 67, 70, 71, 72, 118.
Schacher Joseph, Das Hexenwesen im Kanton Luzern 1400-1675 (1947). Seiten 14, 18, 19, 24, 26, 66, 67, 81.




Die Hexe, die vom Teufel durch die Lüfte getragen wurde

Die aus St. Gallen stammende Hebamme Barbara Schatzmann kam 1570 in Luzern in Verdacht eine Hexe zu sein. Sie wurde ergriffen und bekannte zu Willisau einen Buben durch Anblasen getötet zu haben. Des weiteren bekannte sie im Gefängnis, dass ihr Buhl, der Federmisch (Teufel) ihr auch gezeigt habe, wie man Neugeborene tötet, indem man ihnen "mit einer Guffen" (Stecknadel) ins Häuptlein sticht. Sie gestand das, je nach Quelle an 11 oder 27 Säuglingen, getan zu haben.

Auch im Gefängnis wurde Barbara Schatzmann vom Teufel bedrängt, so dass man sie Tag und Nacht bewachen musste. Als es die Wächter am wenigsten erwarteten, schlug der Teufel zu. Er kam in der Gestalt eines schwarzen Vogels auf dem Luftweg, hat sie ergriffen, geschunden und gehäutet und sie mit Leib und Seele durch die Lüfte davongetragen. Zurückgeblieben ist nur ihre Haut, aufgeblasen wie eine Blase.
So jedenfalls steht es in der Wickiana, einer Nachrichtensammlung aus dem 16. Jahrhundert (Siehe Quellen).
Tatsächlich starb Barbara Schatzmann aber im Gefängnis, wie man beim Luzerner Staatsarchiv nachlesen kann.

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Wickiana, Zentralbibliothek Zürich, F 19, fol. 121v.

Bild: Wickiana, Zentralbibliothek Zürich, F 19, fol. 121v.
Auf der linken Bildhälfte sieht man das Innere des Gefängnis, die aufgeblasene Haut mit Spuren vom Zugriff des Teufels und zwei aufgebrachte Wachpersonen.
Oben links sieht man eine Seilwinde, das Werkzeug für die Streckfolter des Aufziehens. Darunter sieht man Gewichtssteine, die den Gefangenen an die Füsse gehängt wurden.
Der Teufel ist gerade mit seiner Beute aus dem Turmfenster geflogen und wird von Passanten gesehen, die mit dem Finger auf ihn zeigen.

Quellen:
- Senn Matthias, Die Wickiana, Johann Jakob Wicks Nachrichtensammlung aus dem 16. Jahrhundert. Seiten 180, 258.
- Schacher Joseph, Das Hexenwesen im Kanton Luzern (1947), Seite 27.
- e-periodica, Das Hexenwesen des 16. Jh. ... (PDF Download Seite 361)
- Staatsarchiv des Kantons Luzern: https://staatsarchiv.lu.ch/schaufenster/quellen/Hexen





Die Kapelle der Kindsverderberinnen am heutigen Kreuzstutz

Aus der Cysat Collectanea [B.Fol.274v]

Zwischen der Minderen Stadt und der krummen Fluh, ungfähr zwei Büchsenschüsse vom Sentitor entfernt, hat es ein steinernes Kruzifix und eine gemauerte Kapelle, in der eine Laterne brennt. An der Strasse und Wegscheide an der Reuss, wo sich die Strassen gegen Entlebuch und Rothenburg teilen (Anmerkung: heutiger Kreuzstutz). 

In dieser Kapelle ist vor Zeiten jede Samstagnacht ein Licht entzündet worden und. Ein Bewohner eines Nachbarhauses wurde beautragt, diesen Dienst zu erweisen und erhielt dafür ein Jahrgeld.
Warum und zu welchen Zeiten man damit aufgehört hat, konnte ich bisher nicht erfahren.

Es gibt auch die alte Überlieferung dass man früher in dieser Kapelle (die sonst nicht geweiht war) arme Frauen, die ihre eigenen Kinder bei der Geburt oder auf andere Weise getötet hatten, lebendig begrub.

Dabei wurde ein tiefes Grab ausgehoben, auf dessen Boden scharfe Dornen gelegt wurden. Die Frau wurde darauf lebend, bis auf ihr Hemd entkleidet (ins Grab gelegt) und erneut mit scharfen Dornen bedeckt. Anschliessend wurde das Grab mit Erde zugeschüttet.

Der Nachrichter steckte ihr ein Rohr in den Mund, das aus dem Grab herausragte, damit sie für eine gewisse Zeit noch atmen konnte, bis man ihn geheissen hatte das Rohr zu zücken.



Luzerner Schilling, Folio 285r
Luzerner Schilling, Folio 285r

Hinrichtungsszene aus dem Luzerner Schilling (Folio 285r). Die am Boden sitzende Frau im blauen Kleid wartet vor einem ausgehobenen Grab auf ihre Hinrichtung. Sie ist eine Mörderin, vermutlich eine Kindsverderberin. In den Armen hält sie wohl ihr totes Kind. Mit diesem wird sie zusammen begraben, sobald der Nachrichter mit dem Rädern fertig ist.





Das Video ist in Schweizerdeutsch gesprochen.
Um das Video in deutscher Schriftsprache zu sehen, klicken Sie hier.

Originaltext:








































Wie ein junger Knabe zu Luzern ertränkt und wieder lebendig wurde und dann noch lange lebte.

Aus der Luzerner Bilderchronik des Diebold Schilling, Folio 80v.

Im Jahre 1470 wurde ein 11 jähriger Knabe gefangen, der sein Leben mit Diebstahl verwirkt hatte. Am Strick sollte er gehängt werden bis zum Tode. Auf Bitten seiner Familie wegen wurde er aber „nur“ geschwemmt.

Das Schwemmen war ein sogenanntes "Gottesurteil" und diente vornehmlich dem Ertränken potentieller Hexen, wurde aber auch für junge Delinquenten angewendet.
Wie beim Ertränken im Mittelalter üblich, wurde der Übeltäter in Kauerstellung gefesselt. In der einen Hand hält der Nachrichter einen Strick, mit dem er die Füsse des Verurteilten knapp über Wasser hält. Mit der anderen Hand drückt er mit Hilfe eines Steckens den Oberkörper des Malträtierten  unter Wasser.


Ebenfalls mit dem aus Zürich angereisten Nachrichter im Boot sitzen der Ratsrichter mit Schwert, der Stadtschreiber und ein Stadtknecht am Ruder. Der Henker macht seine Arbeit, während die Augen der anderen auf das Gesicht des Ertrinkenden fixiert sind, aus dessen Mund die Atemluft entweicht. Eine grausame Hinrichtungsmethode, von Angesicht zu Angesicht.

Der Junge mit Namen Hans Hegenheim ward also am rechten Flussufer Unter der Egg ins Wasser geworfen und gemächlich mit der Strömung rinnend bis ans linke Flussufer unter der Reussbrücke geschwemmt.

Dort angekommen zog ihn der Nachrichter aus dem Wasser, zerschnitt seine Fesseln und liess ihn liegen. Nach einer Weile rührte Hans Hegenheim den Mund und kam allmählich wieder zu sich. Er lebte danach noch lange, ward ein Biedermann, nahm sich ein Weib und hat hübsche Kinder gemacht. [Läpt lange Zit darnach und ward ein Bydermann, nam ein Wib und macht hübsche Kind.]

Bild: Gemeinfrei
Bildquelle: Luzerner Schilling, Diebold Schilling der Jüngere, Faksimile Verlag Luzern






Das Schellenwerk - Zwangsarbeit im Mittelalter

Schellenwerk nannte man im Mittelalter die öffentliche Zwangsarbeit. Das Wort Schelle bezieht sich dabei auf die mit Schellen versehenen Fesseln. Die zur Zwangsarbeit Verurteilten mussten schwere körperliche Arbeit verrichten, wie z. Bsp. Strassen und Türme bauen oder im Winter im kalten Fluss stehen und die Schwelle reparieren.

Halsring mit Schnabel - HMLu

Die Delinquenten waren mit Fussfesseln oder zu zweit aneinandergekettet. Zusätzlich wurden Schellenwerker mit einem Halsring samt Schnabel oder Schelle gezeichnet, damit Sie in der Öffentlichkeit auch sofort und jederzeit als Schellenwerker erkannt wurden, die ihrer Arbeit nachzugehen hatten.

Die Schellenwerk-Strafe wurde für Bettelei, Landstreicherei und kleine Rechtsverstösse ausgesprochen, später auch für andere Vergehen, falls mildernde Umstände mitspielten.
Das Schellenwerk soll auch zur Züchtigung arbeitsscheuer Jugendlicher eingesetzt worden sein.

So um 1800 war das Schellenwerk in Luzern im äusseren Weggistor untergebracht. Tagsüber wurde hart gearbeitet und über Nacht wurden die Schellenwerker in den Weggisturm gesperrt.

Da Schellenwerker keinen Kontakt mit dem Henker hatten, wurden Sie nicht ehrlos. Grundsätzlich war es möglich, nach verbüsster Strafe wieder in die Gesellschaft integriert zu werden.

Weitere Informationen:
Historisches Lexikon der Schweiz -  hls-dhs-dss.ch





Die letzte Schweizer Guillotine

Mit dem Franzoseneinfall zum Ende des 18 Jahrhunderts kam auch die französische Rechtssprechung in unser Land.

Die letzte Schweizer Guillotine - HMLu

DasLuzerner Kriminalrecht wurde erneuert. Pranger, Brandmarkung und Stäupen wurden verboten. Für die Vollstreckung der Todesstrafe wurde die Guillotine vorgeschrieben.

Doch kein richtiger Eidgenosse mochte sich mit der Guillotine anfreunden. Sie ist kalt und hat einen aufgezwungenen, französischen Beigeschmack.
Das Schwert aber ist erhaben, edel und rein.
So kehrten wir schon bald wieder zum Schwert als bevorzugte Hinrichtungsmethode zurück.

Die Guillotine vermochte sich dann doch durchzusetzen und wurde zum Standard. Die Hinrichtungen erfolgten nicht mehr öffentlich, sondern im Gefängnishof an der Baselstrasse.

Erst hatten wir in Luzern keine eigene Guillotine und mussten uns bei Bedarf eine leihen. Später kauften wir diese und borgten sie in der ganzen Schweiz aus. So erfolgten die letzten fünf Hinrichtungen in der Schweiz mit der Guillotine, die jetzt im Historischen Museum in Luzern ausgestellt ist.

Die letzte zivile Hinrichtung in Luzern erfolgte 1910. Der Sexualmörder Anselm Wütschert wurde mit der Guillotine hingerichtet. Gesamtschweizerisch erfolgte die letzte zivile Hinrichtung 1940. Damals wurde der Mörder Hans Vollenweider mit der Luzerner Guillotine in Sarnen hingerichtet. Seither wurde die Guillotine nicht mehr benutzt.


Modell der Guillotine - HMLu





Der Pranger in Luzern

Im Mittelalter hatte jede Stadt einen Pranger. Dieser diente der Bestrafung für leichte Vergehen. Der Übeltäter wurde für eine bestimmte Zeit an den Pranger gekettet, um vom Volk verhöhnt, bespuckt und mit Unrat beworfen zu werden. Das "an den Pranger stellen" war eine Schandstrafe. Aber auch Prügelstrafen, Brandmarken und Verstümmelungen wurden am Pranger durchgeführt. Für zum Tode Verurteilte war der Pranger lediglich eine Station auf dem leidvollen Weg zur Exekution.

In Luzern stand im unteren Teil des alten Fischmarktes ein Säulenpranger. Dazugehörige Halseisen sind im Historischen Museum ausgestellt. Der Pranger selbst ist nicht erhalten, jedoch im Martiniplan von 1597 zu sehen.

Das bevorzugte Werkzeug für Schandstrafen war in Luzern jedoch die Trülle. S' Trülli, wie es im Dialekt heisst, war ein runder, drehbarer Holzkäfig, der in Luzern auf der Reussbrücke stand.
Jedermann konnte den im Drehkäfig Stehenden nach Lust und Laune bis zur Übelkeit oder gar Bewusstlosigkeit drehen (trüllen).

Im 13. Jahrhundert erlaubten die Habsburger der Luzerner Obrigkeit, selber Gericht zu halten. Grundlage dazu bot der "Geschworene Brief" von 1251, der laufend ergänzt wurde.

Anfangs wurde im Freien unter der Linde gerichtet, dort wo auch der Pranger stand. Später zog das Gericht in das Haus nebenan, das heutige Hotel des Balances. Gericht und Rat waren identisch, denn der Rat amtete auch als Gericht.

Die Urteilsverkündigungen erfolgten auch später hier auf dem Platz im Freien, derweil der Delinquent an den Pranger gestellt wurde. Das Restaurant "Rotes Gatter" verweist auf die "blutrote" Schranke der Blutgerichtsbarkeit. Ebenfalls am Platz steht das Restaurant zur Linde und davor wurde 1978 wieder eine Linde gepflanzt.

Weitere Informationen:
  • Der nächstgelegene noch erhaltene Pranger befindet sich am Rathaus der Stadt Sursee (Bild, Wiki).
  • Ein Bild einer Trülle finden Sie hier
  • Weitere beliebte Werkzeuge für Schandstrafen im Mittelalter waren der Schellenwerker Halsring, der Stock, Schandmasken und Halsgeigen.

Von Andares Buman, der mit seinem Galgenhumor alle zum Lachen brachte. Aus der Wickiana (Text und Video)

Eine Geschicht aus der Wickiana vom 16. Jahrhundert, der Nachrichtensammlung von Johann Jakob Wick, übersetzt ins Neudeutsche.

Aus der Wickiana: Andares Buman wird 1568 in Zürich gehenkt.
1568. Von einem wunderlichen Menschen, der um viel Diebstahls Willen in Zürich gehenkt wurde.

Am 14. Juni dieses Jahre 1568 wurde Andares Buman von Zwingenberg aus dem Lande Hessen mit dem Strick gerichtet. Er hat wunderseltsame Possen im Gefängnis und beim Hinausführen zum Galgen getrieben, so dass er selber und andere Leute, mit ihm lachen mussten. Er hat nie Furcht vor dem Tod gehabt auch nicht bis zu seinem Ende; Er hat begehrt, dass man ihn hänge und nicht enthaupte. Die Ursache war, wie er vorgab, was er denn vor Gott ohne Haupt tun wollte. Als man ihn über die untere Brücke führte, hat er einen Bauern gesehen, der Binsen trug und er sprach zu ihm: „Lieber Bauer, Wie willst du mit Binsen tragen reich werden, wenn ich doch nicht einmal mit Stehlen vermochte reich zu werden.“
Vor dem Rennwäger Tor hat er einen Müller gesehen und zu ihm gesagt: „Lieber Müller, du gingest rechter mit mir und gebietest mir das letzte Geleit. Nach meinem Dafürhalten hast du manchen Mütt Kernen gestohlen. Alles in allem sind die Sprüche nicht alle zu erzählen, die er getrieben hat und die gar leichtfertig sind; Doch zuletzt ist er christlich gestorben und hat geredet: Herr Jesus Christus, empfange meine Seele.



Originaltext:
1568. Von einem wunderbarlichen menschen, der umb vil diebstalen willen zuo Zürich gehenckt worden.

Am 14 Junij dises 1568 iars ward Andares Buman, von Zwingenberg uss dem land zuo Hessen, mitt dem strik gericht. Hatt wunder selzam possen in der gfenknuss und im ussfüren getriben, das er selbs und anderlüth mitt im lachen müssen.
Hatt nie kein forcht dess tods ghan, auch bis in sin end; hatt begärt, das man in hänke und nütt enthaupte, ursach, wie er für gab, was er vor Gott on ein haupt thuon wölte. Als man in über die under bruggen gfürt, hatt er einen puren ersähen,
der binz getragen; sprach zuo im: Lieber pur, woltist du mitt binz tragen rych werden, hab ich doch nütt mögen mitt stälen rych werden. Vor dem Rennwäger thor hatt er einen müller ersähen und zuo im gesagt: Lieber müller, giengist
rächt mitt mir und gebist mir das gleyt, ich sich dich dafür an, du habist manchen mütt kernen gestollen. In summa, die sprüch sind nütt all zuo erzellen, die er getriben, die gar liechtfertig xin; yedoch zletst ist er christenlich gestorben
und grett: Herr Jesu Christ, empfach min seel.