Eine Gebärende in einem Geburtsstuhl Wikipedia |
Die Stadthebammen waren Staatsangestellte und hatten einen Eid zu leisten. Darin stand u.a. dass sie Reiche wie Arme gleichermassen ohne Unterschied zu bedienen hatten und neben ihrem vom Rat gegebenen Lohn kein weiteres Entgelt direkt von den Familien fordern durften. Die Torwächter waren angewiesen, den Hebammen auch bei Nacht jederzeit die Tore aufzuschliessen, so dass diese ungehindert ihrer Arbeit nachgehen konnten.
Hebammen hatten auch Staatsaufgaben zu erfüllen. Sie mussten nicht nur jede Geburt melden, sondern bei unehelichen Kindern auch den Namen des Vaters erfragen.
Ebenso wurden Hebammen von der Obrigkeit herangezogen, wenn es darum ging, der Hexerei angeklagte Frauen auf eine mögliche Schwangerschaft hin zu untersuchen. Nicht selten gaben nämlich der Hexerei angeklagte Frauen an, schwanger zu sein. Wenn dem so war, so wurde nach karolingischem Recht mit der Urteilsvollstreckung abgewartet, bis das Kind geboren war.
Auch Aborte mussten gemeldet melden, damit die Obrigkeit bei vermutetem absichtlich herbeigeführtem Schwangerschaftsabbruch, Ermittlungen aufnehmen konnte.
Frauen, die absichtlich einen Schwangerschaftsabbruch herbeiführten nannte man Kindsverderberinnen und im Hochmittelalter wurden diese lebendig begraben. Siehe auch: Die Kapelle der Kindsverderberinnen am heutigen Kreuzstutz
Es liegt nahe, dass die Hebammen auch über Mittel der Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch Bescheid wussten. Dieses "verbotene Wissen" mussten sie geheim halten, um nicht zu riskieren, als Hexen verschrien zu werden.
Mit Sicherheit waren viele Hebammen auch heilkundige Kräuterfrauen. Vielleicht verfügten Sie über Wissen, dass uns heute nicht mehr zur Verfügung steht. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil heilkundige Kräuterfrauen mitunter auf dem Scheiterhaufen landeten.
Nach Cysat wurden die Apotheker in Luzern angewiesen, darauf zu achten, wem sie Hauswurz verkauften. Ein Sud aus dieser Arznei wurde nämlich auch dazu verwendet, einen Schwangerschaftsabbruch herbeizuführen.
Die Hauptbestimmungen der Hebammen Ordnung von Luzern von 1594
(Quelle: Dr. Theodor Michel Luzern, Bader, Scherer, Chirurgen, Hebammen und Apotheker im alten Luzern, 1931)
1. Die Hebammen sollen ihre Kunst nicht nur aus Büchern lernen. Es gebe aber "nützliche Büchlinen", die zum fleissigen Studium empfohlen werden.
2. Es wird verlangt "zimbliche Lybssterckhe" [ziemliche Leibesstärke] und mittleres Alter, damit sie den Anforderungen ihres Amtes gerecht werden. Sie sollen examiniert werden. Ferner Trost spenden können, nicht leichtsinnig und geschwätzig sein.
3. "Krosen oder Klopfen der Knüwen" werden als Symptome der nahen Geburt bezeichnet. Unterweisung der Frauen durch die Hebammen.
4. Das "Bürdelin oder Nachgeburth" soll sofort von vertrauten Personen weggeschafft werden, damit "es nicht Etwan bösen Lüthen in die Hend khomme und zue Hexery oder Zaubery (wie das offt beschechen) gebrucht werde".
5. Den gebärenden Frauen dürfen keine aussergewöhnlichen Mittel gegeben werden, "Insonderheit khein abergleubischen Sachen, Versägnen weder bruchen noch rathen."
6. Die Hebammen müssen einander helfen, den Doktor um Rat fragen, Kollegialität halten usw. In schweren Fällen Anzeige erstatten.
7. Es gibt drei besoldete Hebammen in der Stadt. Diese Hebammen sollen die jungen Lehrhebammen bei der Geburt instruieren, stirbt ein der alten Hebammen, dann folgt die tüchtigste Lehrfrau-Wartnerin nach im Amt.
8. Damit der Dienst gewissenhaft ausgeführt wird, erfolgte 1594 eine Lohnerhöhung:
a) Freie Behausung
b) Alle Fronfasten (vierteljährlich) 10 libra (Währungseinheit und noch früher auch Gewichtseinheit)
c) Ein Vierthel Kernen (1 Luzerner Stadtviertel ist ein Getreidehohlmass und enthält 34.64 Liter. Im Alten Luzern bedeutete Kernen entspelzter Dinkel)
Wie hoch die Besoldung tatsächlich war, lässt sich heute nur sehr schwer feststellen.
Fest steht jedoch, das gute Hebammen rar waren. was die Luzerner Obrigkeit im 18. Jahrhundert gemäss Theodor Michel darauf zurückführte, dass die Besoldung zu gering sei.
Quellen:
Dr. Theodor Michel Luzern, Bader, Scherer, Chirurgen, Hebammen und Apotheker im alten Luzern, 1931.
Cysat Collectanea Chronica und denkwürdiger Sachen pro Chronica Lucernensis et Helvetiae. Hg.: Joseph Schmid. Luzern 1961–1977.